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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Königs, so wie Europa den Liebesbezeugungen eines Stieres hingegeben hast?« Natürlich war die Geschichte erfunden, doch war der Grieche sicher, daß man sie, in Anbetracht all der anderen Gerüchte, die um die Hetaire kursierten, bei Hof begierig aufnehmen würde.
    »Hüte deine Zunge, du Bock! Wen mein Zorn trifft, den ereilt schon bald die Strafe des Gottes. Außerdem, wer sollte schon deinen verrückten Geschichten Glauben schenken?«
    »Mag sein, daß man mir nicht glaubt. Vor allem der König wird wissen, was die Wahrheit ist und nicht. Doch womöglich bringe ich ihn mit meiner Geschichte auf eine Idee. Du weißt doch, wie aufgeschlossen er allem Neuen gegenüber ist? Vielleicht würde es ihm ja wirklich gefallen, dich in der Rolle der Europa zu sehen. Auch wenn man dir nachsagt, du seiest in deinen Künsten sehr bewandert, so bist du doch nur eine Hetaire, und Frauen wie dich findet ein König und Gott jederzeit aufs neue. Ich meine nur, falls du einen Unfall mit dem Stier erleiden solltest ... Übrigens kannst du dich natürlich darauf verlassen, daß ich unseren Streit längst vergessen haben werde, wenn du nach deinem Abenteuer als Europa einen Arzt brauchen solltest.«
    Thais erbleichte. Einen Augenblick lang herrschte beklommenes Schweigen zwischen ihnen. Dann warf sie ihm aus ihren großen, dunklen Augen einen Blick zu, als sei sie so rein und unschuldig wie die Artemispriesterinnen. »Ich denke, du bist der am meisten unterschätzte Mann am Hof des Pharaos. Es wäre töricht, wenn wir beide uns im Streit trennen würden. Vielleicht sollten wir erwägen, uns bei etwas gemeinsamer Zerstreuung besser kennenzulernen?«
    Der Grieche räusperte sich. Dieser Blick! Ihm wurde ganz anders. »Was mich angeht, so lege ich wesentlich mehr Wert darauf, mit dir in Freundschaft und mehr verbunden zu sein, als mit dir eine Fehde auszufechten, bei der wir nur beide verlieren können.«
    »Du sprichst mit der Weisheit eines Philosophen. Gerne würde ich noch weiter mit dir plaudern, doch meine Pflicht ruft mich zurück in die Gemächer des Pharaos.« Mit einer knappen Verneigung verschwand Thais durch die Tür. Ob sie ihn wirklich in Frieden lassen würde? Sie hatte ihm nicht einmal gesagt, weshalb sie hierher gekommen war! Resignierend blickte sich Philippos noch einmal im Zimmer des Toten um. Es gab einfach nichts, was ihm weiterhelfen konnte. Das einzige, was nicht recht in das Bild des biederen Hofbeamten paßte, war die Tatsache, daß die Hetaire des Königs offenbar Interesse an den privaten Dingen des Mundschenks hatte. Oder war sie wirklich nur gekommen, um zu stehlen?
    Noch einmal durchsuchte der Grieche gründlich das Zimmer, aber er entdeckte nichts Neues. Jetzt blieben nur noch die Haussklaven, die vielleicht gesehen haben mochten, was Buphagos getan hatte, als er am Vortag kurz vor dem Eintreffen der Prozession noch einmal in die Villa zurückgeeilt war. Außerdem sollte er Thais noch einmal befragen. Es waren gewiß nicht allein melancholische Gedanken an einen aufrechten Toten, die sie in das Zimmer des Mundschenks geführt hatten.
    Samu sah den Vögeln zu, die im Atrium des Hauses der Hohepriesterin durch das flache Wasser des Impluviums hüpften.
    Fast wie spielende Kinder tollten sie herum und tauchten die Flügel ins Wasser, so daß es schien, als wollten sie sich gegenseitig naßspritzen.
    »Ein Bild des Friedens, nicht wahr?«
    Die Isispriesterin blickte ungläubig in das verhärmte Gesicht des Eunuchen Potheinos. Es war kein halbes Jahr her, daß er ihren Tod gewünscht hatte, und jetzt sprach er zu ihr von Bildern des Friedens. Potheinos hatte den Kopf auf seine Hände gestützt und schaute unverwandt zu dem Becken.
    »Ich weiß, daß du mir nicht glauben wirst, Samu, doch ich habe mit dem Tod des Mundschenks nichts zu tun. Ich weiß so wenig wie du, und mein einziges Interesse ist es, Unheil vom Neuen Osiris und den Seinen abzuwenden.«
    Die Priesterin wußte nicht, was sie sagen sollte. Schweigend blickten sie zu den Vögeln, die ihr nasses Gefieder der Sonne entgegen reckten. Wie es wohl wäre, ein Vogel zu sein und frei durch die endlosen Weiten des Himmels zu reisen. Samu legte den Kopf in den Nacken und blickte zu den breiten, dunklen Wolkenbänken, die sich vor die sengende Mittagssonne geschoben hatten. Frei! Als Vogel wäre ihre einzige Sorge der Falke, der vom Himmel herabstieß. Doch hier ... Sie wußte nicht, wer in dieser fremden Stadt ihr Freund und wer ihr Feind war.
    Nicht einmal

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