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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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vor?«
    »Wenn unsere Toten in das Reich des Westens gehen, dann ist es üblich, sie mit Amuletten gegen all die Widrigkeiten zu schützen, die ihnen auf diesem Weg begegnen können. Eines der wichtigsten Amulette ist das Tel, das auch das Isis-Blut genannt wird. Es wird normalerweise aus Jaspis oder Karneol gefertigt, doch ich hoffe, ein wenig rote Schminke wird ausnahmsweise denselben Zweck erfüllen.« Die Priesterin tauchte ihren Zeigefinger in das Schminktöpfchen und malte dann ein seltsames Zeichen zwischen die Brüste der Toten.
     
    »Dein Blut gehört Dir, Isis,
    Deine Zaubermacht gehört Dir, Isis,
    Deine Zauberkraft gehört Dir, Isis.
    Das Amulett ist der Schutz dieser Großen
    und behütet sie vor dem, der Verbrechen an ihr begeht.«
     
    Einen Moment noch verharrte die Priesterin schweigend, dann endlich gab sie ein Zeichen zu gehen, und Philippos war froh, sich auf sein Zimmer zurückziehen zu können. Es war ihm unheimlich mitanzusehen, wie Samu ihre Magie ausübte, und in Momenten wie diesen fragte er sich, ob er überhaupt nach Ägypten wollte, denn dort in der Heimat dieser seltsamen tierköpfigen Götter würde die Priesterin gewiß noch viel mächtiger sein.
    Im Atrium trennten sich die beiden. Es würde nicht mehr lange bis zum Morgengrauen dauern, und als Philippos sich endlich auf seiner Kline ausstreckte, schlief er fast sofort ein.
    Das letzte, woran er dachte, war der prächtige Spiegel aus Gold und Silber. Hätte er ihn nur schon im Zimmer von Buphagos an sich genommen! Mochten die Götter wissen, wer sich dies kostbare Kleinod jetzt aneignete.

 
5. KAPITEL

     
    H eller Rauch wand sich in Spiralen aus dem Feuerbecken der Decke entgegen. Breite Bahnen aus goldenem Licht durchschnitten das große Zimmer der Hetaire. Kein Lüftchen regte sich draußen, und dumpfe, brütende Hitze lag über dem Land. Der Himmel war klar und wolkenlos. Selbst die sonst allgegenwärtigen Möwen waren verschwunden und hatten irgendwo Schutz vor der Sonne gesucht.
    Der Rauch der Kräuter, die in der kleinen Kohlenpfanne schwelten, war zwar würzig und angenehm, doch hatte er in der Hitze des Nachmittags auch etwas Erstickendes. Samu atmete schwer. Die Lichtbalken, die durch die Fenster schossen, schienen wie goldene Speere um sie herumzutanzen.
    Heißer Schweiß tropfte ihr von den Achseln. Die weiße Fläche der Wand ihr gegenüber veränderte sich. Es schien, als würde sie kippen und zu einer Ebene werden. Die Priesterin hatte gehört, daß es irgendwo, weit im Westen, eine Wüste geben sollte, wo der Sand so weiß war, daß es schmerzte, ihn im hellen Sonnenlicht anzusehen. So erschien ihr jetzt auch die weiße Ebene, die sich in der Wand geöffnet hatte. Samu blinzelte die Tränen fort, die ihr in die Augen getreten waren. Kleine Punkte bewegten sich in dem Weiß. Sie kamen ihr entgegen.
    Einer der Flecken zog sich in die Länge. Die Konturen wurden schärfer ... Schließlich erkannte sie eine Frauengestalt. Sie war hochgewachsen und schön. Sieben kleine Katzen waren um sie herum. Die Tiere wirkten ernst, so als hätten sie eine wichtige Aufgabe. Wachsam blickten sie in alle Richtungen, fast so wie Krieger, die ihren Pharao in der Schlacht beschützen sollten.
    Plötzlich begannen die Katzen zu maunzen. Ein riesiger, schwarzer Schatten war auf die Ebene gefallen. Er sah ein wenig aus wie ein großer Hundekopf. Die Katzen stürzten tot zu Boden. Drohend erhob die Frauengestalt ihre Faust zum Himmel, dorthin, wo irgendwo das Ungeheuer sein mußte, das seinen Schatten auf die Ebene warf. Die Bilder verschwommen Samu vor den Augen. Die Frau löste sich ... Der Schatten verlor seine Form. Sie sah nur noch schwarz und weiß, schwarz und weiß . Hell und dunkel schienen wie in Spiralen miteinander verwoben.
    Wieder hörte sie eine Katze maunzen. Die Vision war verflogen. Die kleine, graue Katze, die Thais gehört hatte, kauerte neben dem Leichnam ihrer toten Herrin und blickte Samu mit großen, grünen Augen an. Wieder miaute das Tier, als wolle es der Priesterin etwas sagen.
    »Was ist denn, meine Kleine?« Samu wollte sich vorbeugen, doch richtete sie sich sofort wieder auf. Ihr war übel, und mit jeder Bewegung wurde es schlimmer. Was mochte die Vision bedeutet haben? Die Priesterin war sicher, daß die Frauengestalt Isis gewesen war. Doch die Katzen . Es gab eine Geschichte, in der die Göttin von sieben Skorpionen begleitet in die Wüste floh und sich vor Seth versteckte, der ihren Gefährten Osiris

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