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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Datteln auf dem Tisch vor der Kline griff. Er war ihr so nah, daß Samu trotz des schweren Parfüms, das der Phönizier benutzte, den sauren Schweiß unter seinen Achseln riechen konnte.
    »Meine Liebe, darf ich Euch unsere Tischgefährten vorstellen?« Elagabal wedelte wieder auf die ihm eigene, affektierte Art mit seiner Rechten und wies dann auf den Mann, der ihnen gegenüber lag. »Dies ist der ehrwürdige Archelaos, der Hohepriester der Theokratie von Comana und ein besonderer Freund des Gnaeus Pompeius.« Archelaos runzelte verärgert die Stirn, doch Elagabal fuhr ungerührt fort. »Eigentlich ist er der Gast meines Rivalen
    Iubal, aber für diesen Abend hat er sich dazu durchringen können, mir die Ehre zu erweisen. Zu seiner Rechten liegt Iubal, der mich eigentlich nicht leiden mag. Doch offenbar mochte er seinen erlauchten Gast nicht allein an meiner Tafel speisen lassen. Man sagt, er sei der reichste Kaufmann in Tyros, doch ich habe meine Zweifel.«
    Iubal, ein kleiner, schlaksiger Mann von vielleicht vierzig Jahren, hob seinen Weinpokal, so als wolle er Elagabal zuprosten.
    »Aber, aber, mein Freund! Du kennst doch meinen Wahlspruch. Wer wirklich reich ist, hat es nicht nötig, darüber zu reden. Lassen wir dieses leidige Thema doch für den Abend.«
    »Wie man hört, ist er einer der geschicktesten Rhetoriker in der Boyie, dem Rat der Hundert, der über das Schicksal unserer Stadt bestimmt.« Die Stimme des Gastgebers war einen Moment lang kühler geworden, doch dann verfiel er wieder in seinen frechen Plauderton. »Der unverschämt gutaussehende junge Mann dort vorne ist Oiagros, mein bester Kapitän. Er behauptet, daß seine Urahnin eine Nymphe gewesen sei und daß er vom ältesten thrakischen Königsgeschlecht abstamme, doch ich bin eher der Meinung, daß seine Stammutter eine Nereide gewesen sein muß, denn kein Sturm vermag ihm etwas anzuhaben, und selbst bei widrigster See hat er meine Schiffe bisher stets unbeschadet in den Hafen gebracht. Der ehrwürdige Greis an seiner Seite aber ist Azemilkos, der Hohepriester des Melkart, des Schutzgottes unserer Stadt. Wo so viele Priester um einen Tisch versammelt sind, werden die Götter unserem kleinen Fest heute abend sicher wohl gesonnen sein.« Elagabal lachte als einziger über seinen Scherz und griff nach den Datteln auf dem Tisch.
    »Mir scheint, Ihr habt schon reichlich getrunken«, entgegnete der greise Priester eisig. »Sonst würdet Ihr wohl nicht auf diese respektlose Art von den Göttern sprechen. Ich hoffe, Ihr habt dem Melkart ein Opfer gebracht, bevor Ihr Euer Haus den Gästen geöffnet habt.« Das Gesicht des Alten sah zum Fürchten aus. Sein Schädel war kahlgeschoren, und seine welke Haut spannte sich so straff über die Knochen, daß sein Antlitz Samu an die Züge alter Mumien erinnerte. Anstelle von Augen klafften zwei rote, vernarbte Höhlen in seinem Kopf.
    »Seid Ihr die Priesterin, die heute morgen im Tempel war, um dem Melkart eine Wachtel zu opfern?«
    »So ist es«, entgegnete Samu und hoffte, daß er ihrer Stimme nicht den Ekel anhörte, den sie vor ihm empfand. »Ich sehe, daß Eure Priester Euch wohl unterrichten, Eure Erhabenheit.«
    »Nur weil ich blind bin, heißt das nicht, daß ich nicht wüßte, was um mich herum geschieht. Ich selbst habe mir mit einem Opferdolch das Augenlicht genommen, um meinem Gott näher zu sein und nicht durch all das schnöde Blendwerk, das geschaffen ward, die Sinne der Sterblichen zu verwirren, von der Erkenntnis des wahrhaft Göttlichen abgelenkt zu werden. Doch genug davon! Im übrigen würde ich vorschlagen, daß wir darauf verzichten, einander mit Ehrennamen und Titeln anzusprechen, denn auch dies sind nur leere Hüllen, die fast nichts über das Wesen der vermeintlichen Würdenträger aussagen. Oder sollte es jemanden in dieser Runde geben, der darauf beharrt, daß wir die Förmlichkeiten beibehalten?«
    Samu musterte die Gesichter der Anwesenden verstohlen, während sie sich vorbeugte, um nach den Datteln auf dem Tisch zu greifen. Iubal und der Priesterkönig Archelaos tauschten Blicke aus. Offenbar war der Hohepriester und Herrscher von Comana von der Rede des Alten einigermaßen verblüfft. Für das hohe Amt, das Archelaos bekleidete, war er noch sehr jung. Er hatte dunkle Haut, und ein kurzgeschorener Bart rahmte sein Gesicht. Sein schwarzes Haar war leicht gelockt und fiel ihm bis weit über die Schultern hinab.
    Fast jeden seiner Finger schmückte ein Ring, und um seinen Hals hing

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