Der Tempelmord
Giftmord billigen würde.
»Was ziehst du nur für ein Gesicht, Grieche! Du hast meinen Schwager gerettet. Heute ist ein Festtag! Komm mit mir, es wird Wein geben, und wir werden ein Lamm schlachten. Wir werden feiern wie die persischen Satrapen!«
Der Arzt nickte müde. Vielleicht war es das beste, Dionysos zu huldigen und alle Sorgen im Weinrausch zu ertränken. Für die Purpurtaucher war er heute ein Held. Er sollte das genießen! Zeus allein wußte, wie viele Feste er noch feiern konnte, wenn Chelbes tatsächlich zu den Verschwörern gehörte und ihn verdächtigte, ein Spitzel zu sein.
Das Haus des Elagabal lag inmitten eines kleinen Gartens, den jahrelange Sklavenarbeit dem felsigen Boden der Insel abgetrotzt haben mußte. Der Kaufmann hatte Samu am Abend eine Sänfte geschickt und sie zu einem Festmahl eingeladen.
Einige Augenblicke lang hatte die Priesterin gezögert, die Einladung anzunehmen. Die Nachstellungen des jungen Mannes machten sie verlegen. Zugleich fand sie seine aufdringliche Art abstoßend. Doch war das Festmahl bei Elagabal nicht ein Geschenk der Göttin? Auf diese Weise wurde sie unter den Handelsherren der Stadt eingeführt und hätte vielleicht sogar Gelegenheit, den einen oder anderen unter ihnen auszuhorchen, überlegte Samu.
Obwohl die Träger auf sie warteten, nahm sich die Priesterin eine ganze Stunde Zeit, um sich zu schminken, ihr Haar kunstvoll zu flechten und ihr bestes Kleid anzulegen. Auch trug sie die wenigen Schmuckstücke, die sie besaß. Die prächtige, breite Halskette aus roten Karneol und himmelblauen Lapislazuli und den goldenen Schlangenarmreif, den ihr einst ihr Liebster geschenkt hatte, bevor er zur unsicheren Nabatäergrenze im Osten abkommandiert worden war. Was aus Hophra wohl geworden sein mochte? Gedanken, von dunklen Schwingen getragen, zogen ihr durch den Sinn. Ob Hophra tot war? Und konnte sie Elagabal trauen? War es ein Zufall, daß sie sich getroffen hatten, oder hatte der reiche Kaufmann nach ihr gesucht? Vielleicht hatte er durch Abdoubast, den Kapitän des Lastenseglers, mit dem sie nach Tyros gekommen war, erfahren, daß eine Gesandte des Ptolemaios in der Stadt weilte. Falls Elagabal in den Anschlag auf den Pharao verwickelt war, würde es ihm kaum schwerfallen, zu erraten, weshalb sie gekommen war.
Samu bekämpfte die aufsteigende Angst. Wenn sie herausfinden wollte, wer das Gift geschickt hatte, mußte sie zwangsläufig mit den Kaufleuten verkehren. Einem von ihnen hatte das Schiff gehört, mit dem die falschen Geschenke nach Ephesos gekommen waren. Es nutzte also nichts, davonzulaufen!
Schließlich war sie in die Sänfte gestiegen und hatte sich zum Haus des Handelsherren bringen lassen. Im Garten erwartete sie ein prächtig gewandeter Diener, der sie durch das Haus auf einen Innenhof führte, dessen Wände mit bunt glasierten Ziegeln geschmückt waren. Die Ziegelreliefs zeigten stilisierte Palmen und Blumen, so daß man, obwohl in diesem Hof nichts wuchs, die Illusion haben mochte, erneut in einem Garten zu stehen.
»Ah, meine schöne Priesterin! Mein Herz geht über vor Freude, Euch in meinem bescheidenen Haus zu sehen.« Elagabal war durch eine der gegenüberliegenden Türen auf den Hof getreten. »Darf ich Euch zu meinen anderen Gästen geleiten?«
Mit beschwingtem Schritt führte der Kaufmann sie durch sein großes Haus, zeigte ihr Wandreliefs, die er aus verfallenen syrischen Palästen mitgebracht hatte, kostbare, rotfigurige Amphoren aus Athen und Korinth sowie Elfenbeinschnitzereien aus dem fernen Indien. Endlich betraten sie das Triclinium, wo sich die anderen Gäste des Kaufmanns aufhielten. Es war ein Saal, dessen nördliche Seite von Säulen getragen wurde und sich zum Garten hin öffnete. Mehr als zwanzig Gäste, die es sich auf Klinen an niedrigen Tischen bequem gemacht hatten, waren zu dem Fest gekommen. Es waren allesamt Männer. Die meisten von ihnen starrten die Priesterin mehr oder weniger unverhohlen an, als sie mit Elagabal eintrat.
»Ihr werdet den Ehrenplatz an meiner Seite erhalten«, erklärte der Kaufmann lächelnd, führte sie zu einem Tisch, der ein wenig abseits stand, und ließ sich auf der breiten Kline nieder.
So blieb Samu nichts anderes übrig, als sich zu dem feisten jungen Mann zu legen. Auf den linken Arm aufgestützt, streckte sie sich auf die mit purpurnem Stoff bezogene Liege. Elagabal lag leicht versetzt hinter ihr, so daß er mit seiner Rechten ihren linken Arm streifte, als er zum ersten Mal nach den
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