Der Tempelmord
besaß.
Samu war davon erwacht, daß sie plötzlich, fast krampfartig, zusammengezuckt war. Benommen blinzelte sie in die Finsternis. Draußen war es noch immer dunkel. Sie wußte nicht, ob sie nur wenige Augenblicke oder schon mehrere
Stunden geschlafen hatte. Noch immer brannte die winzige Flamme auf dem gestutzten Docht der Lampe. Am anderen Ende der Kammer, dicht beim Fenster, knirschten die hölzernen Bodendielen.
Jetzt wußte Samu, was sie geweckt hatte. Sie war nicht mehr allein in der Kammer. Angestrengt spähte sie ins Dunkel. Jetzt war es wieder still. Spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Vorsichtig tastete sie nach dem Dolch, den sie neben dem Bett auf den Tisch gelegt hatte.
Wieder knarrten die Bodenbretter. Ein Schatten löste sich aus der Finsternis neben dem Fenster.
»Du wirst dein Messer nicht brauchen, Samu«, erklang eine dunkle Männerstimme.
Die Priesterin schluckte. Der Fremde kannte ihren Namen, und er sprach ägyptisch! »Wer bist du? Und was willst du von mir?«
»Kennst du mich denn nicht mehr?« Die Gestalt trat jetzt dicht vor den Tisch. Der Mann war nur mittelgroß und wirkte eher drahtig als muskulös. Sein Gesicht war noch immer im Schatten verborgen. Auf unheimliche Weise schien er Samu vertraut. Seine Stimme ... Sie kannte ihn!
»Nun, schöne Priesterin! Ich erinnere mich an Zeiten, in denen du mich freundlicher empfangen hast.«
Das konnte nicht sein! Diese Stimme! »Wenn du freundlicher empfangen sein willst, dann nimm die Lampe und halte sie hoch, damit ich dein Gesicht sehen kann. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich so einfach mit jedem Mann einlassen.«
»Heute mittag am Hafen hatte ich einen anderen Eindruck von dir, Priesterin.« Der Fremde griff nach der Lampe und hielt sich die Flamme dicht vor das Gesicht. Es war bartlos, mit hohen Wangenknochen und ein wenig spöttisch wirkenden, schmalen Lippen.
»Hophra!« Samu brachte das Wort kaum über die Lippen. Es waren Jahre vergangen, seit sie den Krieger zum letzten Mal gesehen hatte. »Du bist Elagabals Leibwächter!«
»Jeder tut halt das, was er am besten kann. Was mich angeht, bin ich mir treu geblieben, doch über dich, meine Liebe, muß ich mich wundern. Nicht, daß deine Schönheit mit den Jahren gelitten hätte, doch seit wann interessierst du dich für fette Handelsherren?«
»Ich glaube nicht, daß ich dir Rechenschaft schuldig bin! Was maßt du dir überhaupt an, mir Vorhaltungen zu machen? Du hast einmal zur Palastwache des Pharaos gehört. Und was bist du jetzt? Der Leibwächter eines aufgeblasenen Phöniziers!«
Der Krieger grinste unverschämt und setzte sich neben sie aufs Bett. »Ich habe es vermißt, mich mit dir zu streiten, Samu.« Er griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. »Es ist schön, dich wieder zu spüren.«
Seine Berührung löste bei der Priesterin ein wohliges Schaudern aus. Am liebsten hätte sie ihn in die Arme geschlossen und so getan, als hätten die letzten Jahre einfach nicht stattgefunden, doch etwas in ihr sträubte sich dagegen. »Wie im Namen der Isis kommst du hierher?«
»Ich wollte Berenike nicht die Treue schwören. Vielleicht erinnerst du dich, daß ich sie schon zu Zeiten, als ich noch im Palast diente, nicht sonderlich gemocht habe. Als sie dann noch ihre Schwester ermorden ließ, habe ich meinen Dienst aufgegeben und mir einen neuen Herren gesucht. So kam ich hierher.«
Samu konnte sich nicht erinnern, Hophra jemals abfällig über die Prinzessin Berenike reden gehört zu haben. Doch vielleicht hatte sie dem damals zu wenig Bedeutung beigemessen .
»Du solltest dich vor Elagabal in Acht nehmen. Er ist ein ehrgeiziger und gefährlicher Mann. Ich bin nicht sicher, ob er dir glaubt, daß du aus Ägypten kommst und Berenike die Treue hältst. Ein Menschenleben bedeutet ihm nicht viel. Noch gefällst du ihm, und er fühlt sich durch deine Aufmerksamkeit geschmeichelt, doch das kann sich schnell ändern. Besuche ihn und seine Freunde nicht noch einmal!«
»Willst du mir etwa Befehle geben?« Samu zog ihre Hand zurück. »Ich habe meine Gründe, mich für Elagabal zu interessieren.«
Hophra lachte leise. »Daran zweifele ich nicht. Ich habe dich gewarnt, mehr kann ich nicht tun. Du hast dich mit der Zeit wohl nicht geändert. Bist immer noch so störrisch wie ein Esel.«
»Und deine Komplimente sind immer noch so liebreizend wie ein Haufen Kameldung. Warum hast du eigentlich solche Angst um mich? Wenn Elagabal sich Gedanken über meinen Tod machen
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