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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Hophra hatte bei ihrer Ankunft im Hafen die Träger unter den Arbeitern ausgewählt, die an den Kais herumlungerten. Seitdem war der Krieger verschwunden. Samu mochte es sich kaum eingestehen, doch vermißte sie ihn. Seit sie im Haus des Handelsherren weilte, war der Ägypter nicht mehr zu ihr gekommen, ja, es hatte sich nicht einmal mehr eine Gelegenheit zu einem Gespräch ergeben.
    Gelangweilt glitt Samus Blick über das Hafenbecken. Triremen aus allen Teilen der Welt lagen hier vor Anker. Hochbordige Handelsfahrer, gefertigt aus den besten Zedern des Libanon, damit sie stark genug waren, die gefährlichen Meere jenseits der Säulen des Herakles zu befahren, um kostbares Zinn aus den Ländern der Barbaren zu holen; schlanke Galeeren aus Korinth, die Luxusgüter transportierten und die zu den schnellsten Schiffen gehörten, die je die Wogen des mittleren Meeres durchpflügt hatten; dickbauchige Lastensegler aus Lesbos und Rhodos, mit denen Wein, Öl und Getreide transportiert wurden und deren Frachtraum so gewaltig war, daß ein einziger Segler genügte, um ein halbes Lagerhaus zu füllen. Mehr als zwanzig große Schiffe ankerten im Hafen und rund ein Dutzend kleinerer Boote, die den Purpurtauchern und Küstenfischern gehörten.
    Samus Blick wanderte über die ein wenig heruntergekommenen Hafenanlagen. Vor der Eroberung durch Alexander war Tyros einst die bedeutendste Handelsstadt des Ostens gewesen.
    Die Bauten erinnerten noch immer an diese lang vergangenen Tage, doch hatten sie ihren Glanz verloren. Die Kais waren aus dunklem Sandstein gefertigt, in den man massive Holzstämme eingelassen hatte, um an ihnen die Schiffe zu vertäuen. Alle zwanzig Schritte führten Treppen bis zur Wasserlinie hinab.
    Den Horizont begrenzte die gewaltige Festungsmauer, die den Hafen gegen die See schützte. Eine zwanzig Schritt breite Öffnung, flankiert von zwei Türmen, erlaubte es immer nur je einem Schiff, in den Hafen einzulaufen. So kam es, daß manchmal, wenn der Wind günstig stand und die Lastensegler von Schleppbooten zur Hafeneinfahrt gebracht wurden, heftiger Streit zwischen den Mannschaften entbrannte, wer den Hafen zuerst verlassen durfte.
    Von der Nordseite des Hafens erklang schwerer Marschtritt.
    Eine Kolonne römischer Legionäre verließ die Festung dicht bei der Hafenmauer und marschierte die Kais entlang. Samu konnte förmlich spüren, wie von einem Augenblick zum anderen eine Spannung da war, die es vorher nicht gegeben hatte.
    Feindselig verharrten die Lastenträger in ihrer Arbeit und starrten zu den Soldaten hinüber.
    Ein Schatten huschte über Samus Gesicht. Neben ihr ertönte ein gellender Schrei, und einer der Lastenträger versetzte ihr einen derben Stoß in die Rippen, so daß sie auf das Pflaster geschleudert wurde. Etwas schlug krachend neben ihr auf den Boden. Splitter trafen die Priesterin in die Seite und schrammten über ihr Gesicht. Eine der großen Ölamphoren war aus dem Giebelfenster des Lagerhauses hinabgestürzt.
    Ringsherum gellten Schreie. Das blasse Gesicht Elagabals tauchte über ihr auf.
    »Samu?« Der Kaufmann packte sie und zog sie ein Stück in den Eingang des Lagerhauses. Ihre Kleider klebten öldurchtränkt an ihrem Körper. Die Priesterin war wie gelähmt.
    »Lebst du noch?«
    Samu nickte müde. Sie blickte an sich hinab. Auf ihrem weißen Gewand schimmerte rotes Blut. Sie tastete sich über Arme und Gesicht. Die scharfkantigen Splitter der Amphore hatten sie verletzt, doch schienen die Wunden nicht tief zu sein.
    »Bei allen Göttern! Ich bin froh, daß die Amphore dich nicht erschlagen hat. Viel hätte nicht gefehlt! Ich werde nach einer Sänfte schicken lassen! Du mußt in den Tempel des Eshmun gebracht werden, damit man deine Wunden versorgt. Chelbes persönlich, der Hohepriester, soll sich darum kümmern. Bewege dich nicht! Verletzte sollen ruhig liegenbleiben . Hab keine Angst, es wird bald alles wieder gut sein .«
    Samu lächelte matt. Elagabal war völlig durcheinander. Wie hatte sie ihn als Meuchler verdächtigen können! Im Tor der Lagerhalle erschien die schlanke Gestalt Hophras. Der Ägypter hatte seinen Helm unter den Arm geklemmt.
    »Wie geht es ihr?« Seine Stimme klang kalt und gefühllos, so als hätten sie niemals eine Nacht miteinander verbracht.
    Erschrocken musterte die Priesterin ihren Geliebten. Was war er nur für ein Mann? Wie konnte er sich so verstellen? Oder tat er das am Ende gar nicht? War es ihm egal, ob sie lebte? Er war verschwunden gewesen, als

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