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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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War sie krank?
    Sie versuchte, den Wasserkrug zu heben und etwas in die flache Schale neben sich zu gießen. Erst beim zweiten Mal gelang es ihr.
    Ein schrecklicher Gedanke schoß Samu durch den Kopf. Im tanzenden Licht der kleinen gelben Flamme starrte sie auf ihre Hände und dann in den Spiegel aus polierter Bronze.
    Sie hatte plötzlich die Vorstellung gehabt, ihr Leben verschlafen zu haben, die Angst, daß nicht nur ein paar Stunden vergangen waren, seitdem sie sich auf der Kline niedergelassen hatte, sondern viele Jahre, und daß sie zur alten Frau geworden war. Das hätte ihre Schwäche erklärt und die Mühe, die sie dabei hatte, ihre Gedanken zu ordnen. Doch ihre Hände waren noch glatt, ohne Flecken und Falten. Ihr Gesicht nicht verhärmt und verfallen. Ihr Haar seidig und schwarz, ohne eine einzige silberne Strähne. Es war nur ein dummer Gedanke gewesen. Samu tauchte ihre Hände in das klare, kalte Wasser in der Schale und benetzte dann ihr Gesicht. Sie mußte endlich wach werden! Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und betrachtete die flackernde Flamme der Öllampe.
    Ein Geräusch ließ sie aufschrecken. Hatte sie gerade nicht ein metallisches Klingen, wie von aufeinanderschlagenden Waffen, gehört? Benommen schüttelte sie den Kopf. Sie mußte kurz eingenickt sein, während sie die Flammen beobachtet hatte! Was war nur mit ihr los? Hatte man ihr ein Schlafmittel gegeben? Samu versuchte, sich die Einzelheiten des Abendessens mit Elagabal ins Gedächtnis zu rufen. Zwei Stunden vor Sonnenuntergang hatte der Kaufmann sie an seine Tafel geladen. Es hatte gebratenes Huhn, frisches Brot und Gemüse gegeben.
    Ausnahmsweise hatte die Priesterin sich auch zwei Becher Wein gegönnt. Elagabal hatte ihr gut zugeredet und teuren Falerner aufgetischt. Verschiedene Sklaven hatten sie während des Essens bedient. Samu versuchte, sich an deren Gesichter zu erinnern. Sie hatte wie üblich kaum auf das Personal geachtet. Doch jetzt im nachhinein war sie fast sicher, daß ihr ein anderer Sklave eingeschenkt hatte als dem Kaufmann.
    Das hieß, sie hatte aus einem anderen Krug getrunken! Wenn man ihr Gift verabreicht hatte, dann mußte es in dem Wein gewesen sein! Das Essen war auf Platten auf dem Tisch serviert worden. Niemand hätte im voraus wissen können, welche Teile des Huhns sie sich nehmen würde. Mit dem Brot und dem Gemüse war es ähnlich. Es mußte der Wein gewesen sein! Der Wein .
    Während ihrer Überlegungen hatte sie sich wieder zurückgelehnt. Die Augen fielen ihr zu ... Sie ballte die Fäuste, bis sich ihre Fingernägel tief in die Handflächen gruben. Sie durfte nicht wieder einschlafen! Was bei Isis hatte man ihr nur in den Wein getan? Eine Schlafdroge, ein Gift . Es gab viele Möglichkeiten. Der dickflüssige, weiße Maekonossaft konnte eine solche Müdigkeit hervorrufen. Vielleicht hatte auch der Eshmun -Priester seinen Kräutertrunk mit den Tränen des Mondes versetzt . Und wenn man ihr wirklich ein Gift gegeben hatte? Vielleicht war der Unfall mit der Amphore ein erster Mordanschlag gewesen, und nachdem er fehlgegangen war, wollten Hophra und Elagabal jetzt ganz sicher sein, daß sie sterben würde. Sie mußte das Gift aus ihrem Körper bekommen!
    Samu beugte sich über die flache Wasser schale und begann zu würgen, doch es nutzte nichts. Wahrscheinlich war es ohnehin sinnlos. Sie versuchte abzuschätzen, wie viele Stunden seit dem Abendmahl vergangen waren. Die meisten Gifte, die sie kannte, hätten sie längst getötet. Dennoch . Sie steckte sich einen Finger in den Hals, und endlich gelang es ihr, sich zu erbrechen.
    Erst als sie nicht einmal mehr dunkle Galle ausspie und jedes weitere Würgen schmerzhaft verebbte, ließ sie sich erschöpft zurücksinken. Sie war in Schweiß gebadet. Ihre Nase und ihr Mund brannten von den üblen Säften, die sie ihrem Körper abgetrotzt hatte. Müde nahm sie den Wasserkrug vom Tisch und trank einen tiefen Schluck, um den üblen Geschmack zu vertreiben.
    Sie fühlte sich jetzt ein wenig kräftiger und vor allen Dingen wacher. Es kostete sie nicht mehr all ihre Kraft, gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Sie sollte sich nun ankleiden und nachsehen, was im Haus vor sich ging. Ihre Augen tasteten über die Schminkutensilien auf dem Tisch vor sich. Nein, darauf würde sie verzichten.
    Mit zitternden Händen legte sie ihr Gewand an und verknotete es vor der Brust. Dann strich sie sich das strähnige Haar aus dem Gesicht und trat an die Tür. Leise zog sie den schmalen

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