Der Teufel in der Weihnachtsnacht
Papst horchte auf. «Bessern?»
Der Teufel hob drei Finger zum Schwur. Einen Moment lang sah es so aus, als ob seine Hand überhaupt nur drei Finger hätte. «So wahr ich der Herr der Lüge bin!»
Was sollte der Papst tun? Einerseits war dem Teufel nicht zu trauen. Aber andererseits – durfte ausgerechnet er einen reuigen Sünder abweisen? Durfte er die Chance aufs Spiel setzen, Satan höchstpersönlich auf den steinigen Pfad der Tugend zu geleiten? Durfte er auf eine Bekehrung verzichten, die nicht nur den Lauf der Weltgeschichte verändern, sondern ihm selber einen Ehrenplatz im Heiligenkalender und vielleicht sogar einen eigenen Feiertag sichern würde?
«Mein Sohn …», setzte der Papst an. Der Teufel räkelte sich unter dem freundlichen Tonfall so wohlig wie ein Schoßhund, der hinter denOhren gekrault wird. «Mein Sohn, wenn du wirklich den Weg der Besserung gehen willst …»
«Ich will! Ich will!»
«… dann musst du deine Absicht nicht mit Worten, sondern mit Taten beweisen.»
«Aber das versuche ich doch schon die ganze Zeit! Ich habe es bloß falsch angefangen. Mea culpa, mea maxima culpa! Aber meine Absicht ist rein.» Er bremste und ließ mit höflicher Geste einer schwarzen Katze, die von links den Weg kreuzte, den Vortritt. «Alles, was ich mir ausgedacht habe, sollte doch nur die Kirche in ihrem Kampf gegen das Böse unterstützen.»
«Mit moralisch verwerflichen Mitteln», sagte der Papst streng.
Der Teufel zuckte die Achseln. «Meine alte, höllische Natur kommt mir halt immer mal wieder in die Quere. Aber ich hätte da noch einen letzten Vorschlag zu machen, der ohne die geringste Veränderung Ihrer Prinzipien neues Geld in die Kirchenkassen bringen könnte.»
«Geld ist nicht alles.»
«Natürlich nicht. Selbstverständlich nicht. Aber es hilft. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Peterspfennig jedes Jahr weniger Erträge einbringt. Ich habe da einen Computerausdruck …»
«Nicht nötig», sagte der Papst schnell. «Ich glaube Ihnen.»
«Sie glauben mir? Oh, welch unverdientes Glück! Welch wahrhaft christliche Güte!»
«Schon gut.» Der Papst war über so viel Dankbarkeit richtig verlegen.
«Dann erlauben Sie mir also auch, dass ich Ihnen meinen bescheidenen Vorschlag unterbreite?»
«Na schön», sagte der Papst, und schon befanden sie sich nicht mehr im Auto, sondern in einem Sitzungsraum, wo der Teufel gerade eine erste Folie in den Overhead-Projektor schob.
«Wenn wir uns die Statistiken über die vatikanische Finanzstruktur näher betrachten» – ermarkierte eine Zahl mit Leuchtstift –, «dann fällt sofort auf, dass das Spendenaufkommen in den letzten Jahren markant gesunken ist. Bedrohlich gesunken, würde ich sogar sagen. Wie soll die Kirche aber alle ihre so notwendigen und segensreichen Aufgaben erfüllen, wenn ihr ihre Gläubigen nicht die Mittel dazu geben?»
Der Teufel hatte – und der Papst staunte, dass er nicht darüber staunte – wortwörtlich dasselbe gesagt wie der Kardinal-Staatssekretär bei der letzten Budgetbesprechung. Aber im Gegensatz zum Kardinal hatte er eine Lösung anzubieten.
«Mit Einzelspenden kommen wir nicht weiter. Der Klingelbeutel ist nur schon rein technisch gesehen passé. Und es ist einer so erhabenen Institution wie der Kirche einfach nicht würdig, Einzahlungsschein für Einzahlungsschein gegen Greenpeace oder Amnesty International anzutreten.»
«Aber wie sollen wir dann …?»
«Sponsoring», sagte der Teufel und legte eineneue Folie ein, auf der die Kurve der Einnahmen steil nach oben zeigte. «Früher haben Kaiser und Könige der Kirche ihre Güter vermacht und sind dafür in den Himmel gekommen. Warum sollen das heute Procter & Gamble oder die Volkswagenwerke nicht auch tun dürfen?»
«Und was wollen die dafür haben?»
«Nichts. Überhaupt nichts. Nur erwähnt wollen sie sein. Klein und bescheiden, so wie in alten Zeiten der Stifter eines Altarbildes unter den anbetenden Hirten seine Gesichtszüge verewigen ließ. Ich habe hier einen Vertrag vorbereitet, in dem das alles im Kleingedruckten festgehalten ist.»
Der Papst dachte nach, und je länger er nachdachte, desto weniger konnte er am Vorschlag des Teufels etwas Böses finden. Wenn große Firmen etwas für ihr korporatives Seelenheil tun wollten, was war dagegen einzuwenden? Und wenn sie, diskret und im Hintergrund, ihren Namen im Zusammenhang mit ihren gutenWerken genannt haben wollten, wer konnte etwas dagegen haben?
Und so ergriff er schließlich die
Weitere Kostenlose Bücher