Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
Vom Netzwerk:
das dein Vater?“
    Albert nickte und fuhr fort, die Ziege zu streicheln.
    „Warum hat er sie hier gebaut, und nicht in eurem Garten?“
    Albert schüttelte den Kopf. „Meine Meh“, flüsterte er.
    Erik lächelte. „Sie ist toll, deine Meh. Wie ein Hündchen.“
    „Besser“, flüsterte Albert. „Viel besser.“ Seine Stimme klang heiser. Dann blickte er plötzlich auf. Tränen sammelten sich in seinen dunkelbraunen Augen und liefen seine Wangen hinab. „Weißt du was?“, fragte er mit tränenerstickter Stimme, und Erik beugte sich zu ihm hinunter, um ihn besser verstehen zu können.
    „Was ist denn? Warum weinst du?“
    „Sie wird sterben“, flüsterte Albert.
    „Was?“ Erik sah ihn irritiert an. „Warum sagst du das?“ Er griff nach Alberts Hand und drückte sie. „Keine Sorge. Sie wird nicht sterben. Zumindest nicht so bald.“
    Albert sah ihn an und schniefte. Rotz tropfte aus seiner Nase auf seine Oberlippe. Dann verzog er den Mund zu einem Lächeln. „Du wirst auch sterben“, sagte er.
    Erik ließ Alberts Hand los. Er spürte, wie die Kälte seine Arme und Beine empor kroch und sich in seinem Herzen sammelte. „Was hast du gesagt?“, keuchte er.
    Albert lachte. „ Meh!“
     
    Später lag Erik auf seinem Bett im Gästehaus und wälzte sich unruhig hin und her. Das Wetter schwang um, und die Schmerzen in seinem Bein ließen ihn nicht schlafen. Draußen fauchte ein Sturm um die Ecken des Hauses, rüttelte an den Läden, brachte die Scheiben zum Klirren und tauchte brüllend in den Kamin. Die alten Obstbäume im Garten stemmten sich ächzend gegen den Wind. Die Stimmen des Gletschers flüsterten nicht heute Nacht, sie schrien. Es waren so viele, dass Erik die Worte nicht verstehen konnte. Doch selbst wenn er sich die Hände auf die Ohren presste, schwoll die Kakophonie in seinem Kopf weiter an. Das Pochen in seinem Bein war zu einem schneidenden Schmerz angewachsen, so als würde jemand ein Sägeblatt durch sein Knie ziehen. Irgendwann stand er auf und trank den Whiskey, der noch in der Karaffe war. Danach klangen die Stimmen des Gletschers gedämpft und weit entfernt, und der Schmerz in seinem Bein war erträglich. Er legte sich wieder ins Bett und wickelte sich in die dicke Daunendecke. Dann setzte der Regen ein. Das Prasseln der schweren Tropfen auf dem Dach des Gästehauses geleitete ihn in den Schlaf.
     
    Mitten in der Nacht erwachte er. Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte, aber jeder Muskel in seinem Körper war plötzlich angespannt. Er setzte sich im Bett auf und lauschte in die Dunkelheit. Der Regen hatte aufgehört. Ein leises Knirschen drang durch die Stille zu ihm. Es schien näher zu kommen, änderte dann die Richtung. Erst war es rechts von ihm, an der Vorderseite des Gästehauses, dann hinter ihm, schließlich links von ihm. Und mit einem Mal wurde ihm klar, dass es sich bei dem Geräusch um Schritte handelte. Schritte auf dem Schotter des Pfarrhofs. Jemand schlich um das Gästehaus herum.
    Angst sickerte kalt und schwer in seine Glieder. Das Knirschen war verstummt. Er schlug die Bettdecke zurück und stand langsam auf. Im Dunkeln ertastete er sich den Weg zum Esstisch. Blut rauschte in seinen Ohren. Vor dem Fenster blieb er stehen. Er schirmte sein Gesicht mit den Händen ab und spähte hinaus in die Dunkelheit hinter der Scheibe.
    Plötzlich starrte er direkt in die Geißbockfratze. Er schrie auf und prallte zurück, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Er stolperte und ging zu Boden. Dann kroch er rückwärts vom Fenster weg. In den dunklen Augenhöhlen der grässlichen Maske schimmerten schwarze Pupillen, die seinen Blick kalt und unbewegt erwiderten. Der Mund des Geißbockschädels war zu einem stummen Schrei aufgerissen, die gewundenen Hörner verloren sich hinter der Gestalt in der Finsternis.
    „Verschwinde“, keuchte Erik.
    Die Gestalt vor dem Fenster verharrte reglos. Ihr kalter Blick war fest auf Erik gerichtet.
    „Geh weg“, flüsterte er.
    Und dann, ebenso schnell wie sie aufgetaucht war, war die Fratze plötzlich verschwunden.
     
    Erik saß noch lange in der Dunkelheit auf dem Boden neben dem erloschenen Kamin. Nur langsam brachte er sein Zittern unter Kontrolle. Irgendwann setzte der Regen wieder ein. Als er schließlich zu Bett ging, kroch bereits die Morgendämmerung ins Innere des Gästehauses.

Kapitel 35
     
    Die folgenden Tage verbrachte Erik damit, sich auf den Unterricht vorzubereiten. Meist saß er dabei in dem Ohrensessel vor dem Kamin, Bücher

Weitere Kostenlose Bücher