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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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Ich weiß das, Sie wissen das. Alle wissen das. Außer ihm.“ Wieder versucht Obermeier zu lächeln.
    Erik schüttelt den Kopf. „Ich glaube, es ist alles gesagt.“ Er will die Tür schließen, aber Obermeier stellt seinen Fuß in den Spalt. „Nein.“ Obermeier hebt den Kopf und sieht ihn mit festem Blick an. „Sie irren sich. Eine Menge wurde nicht gesagt heute. Und ich finde, Sie sollten diese Dinge wissen.“
    Erik überlegt einen Moment lang, dann verringert er den Druck auf die Tür. Obermeier zieht seinen Fuß zurück.
    „Was meinen Sie?“, fragt Erik. „Welche Dinge?“
    Obermeier späht ins Halbdunkel des Raumes, wirft einen Blick auf Marie, dann wandern seine Augen zurück zu Erik. „Nicht hier“, sagt er leise. „Ich möchte das unter vier Augen besprechen.“
    Erik zieht die Augenbrauen zusammen. „Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Frau.“
    „Natürlich nicht.“ Obermeier räuspert sich. „Es ist nur so … die Sache ist etwas delikat.“
    Erik spürt dumpfen Zorn in sich aufsteigen. Die Situation in der Schule heute Morgen war grotesk, und Obermeier hat keinen Finger gekrümmt, um ihm zu helfen. „Sagen Sie, was sie zu sagen haben“, stößt er zwischen zusammengepressten Lippen hervor. „Oder verschwinden Sie.“
    „Also gut.“ Obermeier leckt sich nervös über die Lippen. „Ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Ein sehr gutes Angebot.“
    „Dann reden Sie, Mann!“
    „Was ich zu sagen habe, geht nur Sie und mich etwas an. Lassen Sie uns ein Bier trinken gehen. Um die Ecke ist ein schönes Brauhaus, das kennen Sie sicher.“
    Erik presst die Zähne aufeinander und antwortet nicht.
    Das Lächeln kehrt auf Obermeiers Gesicht zurück. „Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen Ihre alte Anstellung wieder beschaffen könnte? Nicht in Sankt Augustin, vergessen Sie dieses gottgefällige Drecksloch, aber hier in München? An einer besseren Schule, direkt in Ihrem Viertel, wenn Sie das wollen. Was sagen Sie dazu?“
    Erik stößt ein ungläubiges Schnauben aus. „Wie soll das gehen?“
    „Vertrauen Sie mir.“
    Erik mustert Obermeiers Gesicht, die glattrasierten Wangen, die wasserblauen Augen, das schüttere blonde Haar. Dann wirft er einen Blick über die Schulter zurück. Marie lässt das Buch sinken, in dem sie gelesen hat, und lächelt ihn an. „Nun geh schon, du alter Dummkopf. Geh!“
    Er erwidert ihr Lächeln, geht zu ihr und küsst sie auf den Mund. Sie schmeckt nach der Orange, die sie vorhin gegessen hat, und er wünschte, der Kuss würde niemals enden.
    „Ich bin bald zurück“, sagt er.
    Sie lacht. „Jetzt geh schon!“ Dann legt sie eine Hand auf seine Wange. „Und komm mit guten Nachrichten zurück.“
     
    Im alten Brauhaus in der Au, das die Bomben und den Krieg weitestgehend unbeschadet überstanden hat, sitzen sie sich an einem der schlichten Holztische gegenüber. Obermeier hat Bier und Schnaps bestellt. Nachdem sie den Schnaps getrunken haben, ohne anzustoßen, sagt Obermeier: „Was heute passiert ist, tut mir leid, Strauss. Es war Ihnen gegenüber nicht fair, und ich habe alles getan, um es zu verhindern.“
    Erik lehnt sich in seinem Stuhl zurück und blickt beiseite.
    „Aber ich konnte es nicht verhindern“, fährt Obermeier fort. „Und als mir das klar wurde, hatte ich eine Idee.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Bier, stößt einen Laut der Zufriedenheit aus und stellt den Krug zurück auf den Tisch. Er lächelt. „Thannsüß! Ich würde Sie nach Thannsüß schicken.“
    Erik beugt sich vor. „ Das war Ihre Idee? Sie wollen mich in dieses Scheißkaff am Arsch der Welt schicken?“ Der Zorn kommt wieder, heiß und rot in seinem Gesicht. „Ausgerechnet Sie? Warum?“
    Obermeier stützt die Unterarme auf den Tisch und senkt die Stimme. Fast geht sie unter im vielstimmigen Rauschen des Schankraumes. „Weil dort etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Weil dort irgendetwas vorgeht, das ich mir nicht erklären kann, und weil Sie in Ihrer jetzigen Situation genau der Richtige sind, um herauszufinden, was genau das ist.“ Der Schulrat nimmt einen Schluck von seinem Bier und wartet auf eine Reaktion. Erik presst die Zähne aufeinander, aber er antwortet nicht. Schließlich stößt Obermeier einen Seufzer aus. „Also gut. Hören Sie zu. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde ein Mann namens Cornelius Piel nach Thannsüß versetzt. Ein Pfarrer. Er sollte dort unterrichten, genau wie Sie. Den alten Pfarrer ersetzen.“ Obermeier lässt den Blick kurz

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