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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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seinen Verstand wie ein Brandzeichen. Nichts würde es jemals wieder auslöschen können.
     
    Auf dem Sofa in der hinteren Ecke des Raumes lag Christa Sonnleitner. Ihr Mann Felix saß vor ihr auf dem Boden. Sein Oberkörper war nach hinten gebogen, sein Kopf ruhte auf der Brust seiner Frau, so als habe er bis zuletzt versucht, sie mit seinem eigenen Körper zu beschützen. Felix und Christa Sonnleitner waren tot. Ihre blutgetränkte Kleidung hing in Fetzen von ihren Körpern. Eine riesige dunkelrote Pfütze hatte sich unter dem Sofa gebildet und von dort über den gesamten Boden ausgebreitet. Blut war aus ihren durchtrennten Arterien an die Wände und an die Decke gespritzt wie aus einem Hochdruckventil.
    Erik kämpfte gegen den Brechreiz an. Er versuchte flach zu atmen. Eine seltsame Taubheit hatte von seinem Körper Besitz ergriffen. Ihm war, als würde er sich selbst dabei beobachten, wie er langsam auf die beiden Toten zuging. Erst jetzt bemerkte Erik, warum Felix Sonnleitners Kopf in einem solch unnatürlichen Winkel auf der Brust seiner Frau ruhte. Sein Hals war bis zur Wirbelsäule aufgeschlitzt, der Kopf nach hinten geklappt. Auch Christa Sonnleitners Kehle war durchtrennt. Mit erschreckender Klarheit registrierte er jedes Detail. Die Körper waren von Dutzenden Stichwunden und Schnitten entstellt. Sie waren wie frisch gepflügte Äcker. Die Pflugschar hatte das Innerste des Bodens nach außen gekehrt.
    Dann hörte Erik das Schluchzen wieder. Er hielt die Lampe höher und wandte sich nach rechts. Auf dem Boden in einer Ecke des Zimmers, in einem Spalt zwischen der Wand und einer blutbespritzten Kommode, saß Albert Sonnleitner. Der Junge zitterte unkontrolliert. Tränen liefen seine Wangen hinunter und zogen helle Spuren durch das verkrustete Blut, das sein Gesicht bedeckte. Blut war auf seiner Kleidung, Blut war auf seinen Händen. Und Blut bedeckte die Klinge des Fleischermessers, das er an seine Brust gedrückt hielt. Als würde alle Kraft mit einem Mal aus seinem Körper gesaugt, gaben Eriks Beine nach. Ein Schwall Erbrochenes schoss aus seinem Mund. Er taumelte.
    Einen Augenblick später war Benedikt bei ihm und entriss ihm die Schrotflinte. Er versetzte Erik mit dem Schaft einen Schlag, der ihn durchs halbe Zimmer schleuderte. Dann zerrte Benedikt ihn über die blutigen Dielen nach draußen und warf ihn in den Schnee. Noch einmal holte er weit aus und stieß Erik den Schaft der Schrotflinte ins Gesicht. Erik hörte ein lautes Knacken, als seine Nase brach. Schwarze Funken tanzten vor seinen Augen. Heißes Blut sprudelte über seine Lippen und in seinen Mund. Er hustete es aus und wälzte sich benommen auf die Seite.
    „Sind Sie jetzt zufrieden?“, rief der Pfarrer. „Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?“
    „Was ... was ist hier passiert? Wer hat das getan?“ Erik presste eine Hand über seine gebrochene Nase, Tränen trübten seine Sicht. Er versuchte sich aufzurichten und stürzte zurück in den Schnee.
    „Sie haben gesehen, wer das getan hat! Ein dreizehnjähriger Junge mit dem Verstand eines Kleinkindes!“
    Kathi Brechenmacher trat aus der Dunkelheit und stellte sich neben den Pfarrer. Sie blickte auf Erik hinunter, und das Licht einer Petroleumlampe spiegelte sich auf den Gläsern ihrer Brille. „Ich habe es immer gewusst“, sagte sie und schüttelte den Kopf. „Ich habe gewusst, dass der Junge böse ist. Ich habe es Ihnen gesagt, oder nicht? Aber Sie wollten nicht auf mich hören!“
    Erik wollte aufstehen, aber Benedikt stemmte ihm einen Fuß gegen die Brust und drückte ihn zurück in den Schnee. Er hob die Schrotflinte und richtete die Mündung auf Eriks Gesicht. „Wenn Sie eine Waffe bei sich tragen, Lehrer, sollten Sie nicht zögern, sie auch zu benutzen.“
    „Das genügt“, sagte Thomas Hellermann. Er streckte eine Hand aus und schob den Lauf der Schrotflinte beiseite. Dann entwand er sie Benedikts Händen. „Hol den Jungen, Benedikt“, sagte er. „Hol ihn her.“
    Benedikt stand schwer atmend über Erik. Er verlagerte sein gesamtes Gewicht auf den Fuß, der auf Eriks Brust stand, und drückte seinen Körper tiefer in den Schnee. „Wir sprechen uns noch, Lehrer“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann hob sich das Gewicht plötzlich von Eriks Brustkorb. Benedikt stapfte durch den Schnee zur Eingangstür des Hauses.
    Der Pfarrer beugte sich zu Erik hinunter und hielt ihm die ausgestreckte Hand hin. Erik sah schwer atmend zu ihm auf. Noch immer

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