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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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tauchte das Haus der Sonnleitners vor ihm aus der Dunkelheit auf. Erik blieb plötzlich stehen und rang nach Luft. Schwankende Lichter beleuchteten eine riesige Menschenmenge, die sich rings um das Grundstück versammelt hatte. Etwas stimmte nicht, er spürte es. Er packte die Schrotflinte fester. Dann setzte er sich zögernd wieder in Bewegung.
    Als Erik das Haus endlich erreichte, empfing ihn bedrückende Stille. Nur der Wind brauste über die Felder, wirbelte den pulvrigen Schnee auf, fuhr fauchend durch die offenstehende Eingangstür des Hauses und heulte durch den Kamin davon. Er schien auch die Worte der versammelten Menschen mit sich fortgerissen zu haben. Sie standen sprachlos, gebeugt, erstarrt. Schneekristalle glitzerten auf ihrer Kleidung und auf ihren Gesichtern. Sie wirkten auf Erik wie Eisskulpturen.
    Schwer atmend bahnte er sich einen Weg durch die Menge. Die Leute nahmen seine Ankunft reglos zur Kenntnis. Diejenigen, welche die Waffe in seinen Händen bemerkte n, wichen stumm vor ihm zurück.
    Langsam näherte er sich der Tür.
    „Was ist hier passiert?“, fragte er laut, seine Stimme um Festigkeit bemüht.
    Niemand antwortete ihm. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Vierzig, fünfzig Lampen schaukelten im Wind, ihre Lichter tanzten in den wirbelnden Flocken. „Was wollt ihr alle hier?“ Der Wind riss ihm die Worte aus dem Mund und schleuderte sie über die Felder. Er zwang sich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Seine Augen schossen hektisch zwischen den Menschen hin und her. Aus der offenen Eingangstür fiel flackerndes Licht auf den Schnee. Das Licht war rot. Eriks Finger krampften sich um die Schrotflinte. Er setzte einen Fuß vor den anderen, und jeder Schritt fiel ihm schwerer als der vorangegangene.
    Als er den Eingang fast erreicht hatte, erschien die schwarz gekleidete, hagere Gestalt des Pfarrers im Türrahmen.
    „Was tun Sie hier, Erik?“, fragte Thomas Hellermann ruhig. Er stemmte die Hände gegen die Türpfosten. „Diese Angelegenheit betrifft Sie nicht. Gehen Sie nach Hause.“
    „Ich möchte mit Felix reden .“ Erik hob den Lauf der Flinte. „Machen Sie den Weg frei.“
    Die Augen des Pfarrers weiteten sich. „Erik!“, rief er. „Was tun Sie denn? Sind Sie wahnsinnig?“
    Erik zeigte ihm die Zähne. „Was zur Hölle ist hier passiert? Warum sind all die Leute hier?“
    „Woher haben Sie die Waffe?“
    „Aus der Bibliothek. Es ist Ihre. Ich habe sie mir nur geliehen. Zum Schutz, erinnern Sie sich? Gegen die Wölfe.“
    Der Pfarrer streckte eine Hand aus. „Geben Sie her.“
    Erik schob seine Hand mit dem Lauf der Flinte weg. „Lassen Sie mich durch, Thomas.“
    Der Pfarrer senkte den Kopf. Er stützte sich mit beiden Händen auf seinen Stock. Dann machte er den Weg frei. Erik warf ihm einen letzten, prüfenden Blick zu. Er ließ den Lauf der Waffe sinken und betrat das Haus der Sonnleitners. Als er die Schwelle überquerte, gewann die Röte des Lichts an Intensität. Seine Schritte verursachten ein feuchtes, saugendes Geräusch auf dem Boden. Er hörte das leise Tropfen von Flüssigkeit. Dann nahm er einen süßlichen, metallischen Geruch wahr, der ihn an den Moment vor elf Jahren erinnerte, als er in einem zerstörten Bunker erwacht war, in den eine Panzergranate eingeschlagen war. Er schluckte den bitteren Saft hinunter, der seinen Hals hinaufschoss. Und dann wusste er plötzlich, warum das Licht eine so merkwürdige rote Färbung hatte: Das ganze Zimmer war rot. Der Boden, die Wände, selbst die Decke, alles glänzte feucht und rot, als hätte jemand eimerweise Farbe im Raum verteilt. Erik kämpfte gegen die Finsternis an, die über ihm zusammenschlug wie eine riesige, kalte Welle. Aus der Dunkelheit zu seiner Rechten erklang ein ersticktes Schluchzen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes nahm er aus dem Augenwinkel eine plötzliche Bewegung wahr. Als sich Benedikts mächtige Gestalt aus dem Schatten löste und auf ihn zustürzte, riss er die Schrotflinte hoch.
    Benedikt blieb abrupt stehen. Er hob die Hände und verzog seinen Mund zu einem abschätzenden Grinsen.
    „Bleib, wo du bist!“, brüllte Erik. Er presste die Lider zusammen, um den Schleier zu vertreiben, der sich über seine Augen gelegt hatte. Er bedeutete Benedikt mit einem Schwenk der Flinte, sich neben den Pfarrer zu stellen.
    Erik nahm die Petroleumlampe vom Tisch und hielt sie in die Höhe, um die finsteren Ecken des Raumes auszuleuchten.
    Was er dann sah, grub sich in

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