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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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an. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen! Ich bin mir sicher, dass Sie Ihre Sache gut machen werden.“
    „Aber ich bin Lehrer, kein Handwerker!“
    „Xaver Wrede ist ein guter Zimmermann. Er wird Ihnen helfen. Ich gehe davon aus, dass wir Xaver heute noch über den Weg laufen werden. Und jetzt kommen Sie. Lassen Sie sich diesen herrlichen Tag nicht verderben! Anna hat mir berichtet, dass es sehr warm ist für Anfang Oktober, und obwohl wir unser Dasein hier im Schatten des Gipfels fristen, bin ich mir sicher, dass heute einer dieser wunderbaren goldenen Oktobertage werden wird. Wer weiß, vielleicht einer der letzten in diesem Jahr! Wir wollen den alten Benedikt besuchen. Lassen Sie uns gehen. Ich zeige Ihnen unterwegs das Dorf. Benedikts Haus ist das letzte des Ortes, die Straße endet dort. Dahinter ist nur noch der Wald. Es wird Ihnen gefallen.“
     
    Thomas Hellermann gab mit seinem Stock die Richtung vor, und Erik stützte ihn. Vor ihnen lag der Kirchplatz. Hinter dem Holzzaun verlief die Hauptstraße. Als sie einige Schritte gegangen waren, bemerkte Erik zum ersten Mal den riesigen schwarzen Fleck, der sich auf dem Pfarrhof ausbreitete wie ein kreisrundes Geschwür. Er hatte ihn bei seiner Ankunft gestern nicht registriert. Es war zu dunkel gewesen, und er hatte vor Erschöpfung kaum die Augen aufhalten können. Erik schätzte den Durchmesser des Flecks auf dreißig bis vierzig Meter. Kein Gras wuchs darauf. Die Erde sah aus, als hätte ein Feuer auf ihr gewütet. An den Rändern war das Gras braun und verdorrt. Als Erik näher herantreten wollte, um den Fleck genauer in Augenschein zu nehmen, blieb der Pfarrer stehen und hielt ihn am Arm fest. „Da sollten Sie lieber nicht hingehen“, sagte er, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    „Was ist das?“, fragte Erik. Ein schwacher, aber beißender Geruch zog ihm in die Nase.
    „Das“, sagte der Pfarrer nach einem Moment des Schweigens leise, „ist unsere Erinnerung an den Krieg.“
    Erik sah ihn fragend an.
    Der Pfarrer schien seine Gedanken zu sortieren, ehe er fortfuhr. „In der Nacht auf den 19. April des Jahres 1944 warf ein deutscher Flieger seine Bombe über Thannsüß ab. Es war eine große Bombe. Eine mächtige Bombe. Sie schlug hier ein, wo wir jetzt stehen. Ein Feuer stieg in die Luft, wie wir es nie gesehen hatten. Alle Fenster der Kirche, wie auch die des Pfarrhauses, zerbrachen.“ Er schüttelte den Kopf. „Wir danken Gott noch heute dafür, dass niemand verletzt oder gar getötet wurde. Der Krater, den die Bombe hinterlassen hatte, wurde bald wieder aufgefüllt, aber die Erde ist an dieser Stelle bis heute tot und verbrannt. Nichts will darauf wachsen. Kein Baum, kein Gras, nicht einmal Unkraut. Wir haben es versucht, aber die Saat starb in der Erde. Wenn es schneit, bleibt kein Schnee hier liegen. Es ist ein seltsamer alter Fleck, aber wir haben uns an ihn gewöhnt. Tote Erde, das ist alles. Unsere Erinnerung an den Krieg.“
    Erik schluckte. Der Fleck bereitete ihm beinahe körperliches Unbehagen. Der merkwürdige Geruch, der davon ausging, setzte sich faulig und stechend in seinen Atemwegen fest. „Sie sagten, es war ein deutscher Flieger? Warum hat er seine Bombe auf Thannsüß geworfen?“
    „Nun, ich glaube, es war ein Unfall. Er wollte nur sich selbst retten, und wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass wir hier unten waren. In jener Nacht tobte ein heftiges Unwetter. Das Flugzeug flog dicht unter der Wolkendecke. Es führte eine kleine Staffel an, sechs oder sieben Maschinen. Blitze zuckten über den Himmel, heller als der Tag. Und dann – ich habe es selbst gesehen! – wurde die erste Maschine vom Blitz getroffen. Während die anderen Maschinen weiterflogen, begann das getroffene Flugzeug zu sinken. Seine Motoren hatten ausgesetzt.“ Der Pfarrer machte eine Pause. Die Erinnerung an jene Nacht schien ihm sichtlich zuzusetzen. Er holte tief Luft, und aus seinen Lungen drang ein rasselndes Geräusch, das zu einem feuchten, schmerzvollen Husten wurde. Erik stützte den Pfarrer, so gut es ging. Als der Husten abgeklungen war, spuckte Thomas Hellermann roten Schleim auf die verbrannte Erde. Der Boden sog die Feuchtigkeit gierig auf. „Es geht schon“, sagte der Pfarrer und rang nach Luft. Schließlich fuhr er fort. „Es war eine große Maschine, ein Bomber, und er kam runter wie ein Stein. Der Pilot versuchte eine Notlandung. Ich schätze, er wollte auf Nummer Sicher gehen. Wollte verhindern, dass seine

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