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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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Pfarrer. „Ein wenig Bewegung wird mich nicht umbringen. Ich sehne mich nach frischer Luft! Vielleicht wären Sie so freundlich, das Zimmer kräftig durchzulüften, während wir weg sind. Die Luft hier drin ist dick wie Suppe! Erik, reichen Sie mir meinen Stock. Er liegt auf der Kommode hinter Ihnen.“
    Erik griff nach dem Spazierstock. Der Knauf war aus fein ziseliertem Metall gearbeitet. Dünne Silberadern, zu kunstvollen Mustern geflochten, liefen den Schaft entlang und vereinten sich am unteren Ende zu einer massiven Metallspitze. Erik reichte dem Pfarrer den Stock.
    „Vielen Dank, mein J unge“, sagte Thomas Hellermann.
    Die Wirtschafterin eilte an sein Bett und ergriff seinen Arm. An Erik gewandt sagte sie: „Sie können in der Küche warten. Auf dem Esstisch steht ein Frühstück für Sie bereit.“

Kapitel 6
     
    Als Erik gerade den letzten Bissen Brot mit heißem schwarzem Kaffee hinunterspülte, hörte er Stimmen und das Knarren der Treppenstufen. Er stand auf und ging in die Eingangshalle zurück, wo ihm Thomas Hellermann und die Wirtschafterin am Fuß der Treppe entgegen kamen. Der Pfarrer war größer, als seine Konturen unter der Bettdecke hatten vermuten lassen. Er überragte Erik um mehrere Zentimeter. Er trug eine schwarze Soutane. In der rechten Hand hielt er den Spazierstock, die Linke stützte sich auf den Arm der Wirtschafterin. „Da sind Sie ja, Erik“, begrüßte ihn der Pfarrer freudig. „Sind Sie bereit?“
    „Von mir aus kann’s los gehen.“
    „Sehr schön! Meine Lunge freut sich schon seit Stunden auf die frische Luft. Aber zuerst wollen wir noch einen Blick in Ihr zukünftiges Klassenzimmer werfen. Ich sollte vielleicht vorausschicken, dass der Raum ein Weile nicht genutzt wurde.“ Der Pfarrer zog die Tür auf, die das Pfarrhaus mit dem Klassenraum verband.
    Sie traten ein. Die Wirtschafterin folgte ihnen zögerlich und blieb im Türrahmen stehen. Erik machte ein paar Schritte in den Raum hinein und verharrte vor der großen Schiefertafel. Er versuchte zu schlucken, aber sein Mund war mit einem Mal zu trocken. Der Raum sah aus, als hätte ein Orkan darin gewütet. Viele der grob gezimmerten Holzbänke waren zertrümmert. Der schmiedeeiserne Ofen in der Ecke war umgestürzt. Das Rohr war aus der Wand gerissen und lag auf der Erde wie eine rußgeschwärzte eiserne Schlange. Die Wände des Klassenraums waren mit grauen Schimmelflecken übersät. Regenwasser hatte sich seinen Weg durch ein zerschlagenes Fenster gebahnt. Als Erik den Kopf hob, sah er faustgroße Löcher in der Decke. Auch hier war Wasser eingedrungen und in den Fugen zwischen den Wänden und den Bodendielen versickert. Teils war es über den Fußboden gelaufen und hatte sich vor dem Pult zu einer öligen schwarzen Pfütze gesammelt. Die Holzdielen waren von der Feuchtigkeit stark verzogen. Ein überwältigender Geruch nach verrottetem Holz hing im Raum. Neben der Tür, durch die sie eingetreten waren, stand ein großer alter Holzschrank. Erik ging darauf zu und zog vorsichtig eine der Türen auf. Die Schulbücher darin waren feucht und verschimmelt. Erik nahm eines heraus. Es fühlte sich merkwürdig weich an, und als er das Buch aufschlagen wollte, brach eine Ecke des Einbands ab. Erik warf es zurück in den Schrank und sah sich hilfesuchend nach dem Pfarrer um. „Was ist denn hier passiert?“
    „Ich muss gestehen, ich war mir nicht darüber im Klaren, wie schlimm es hier aussieht“, sagte der Pfarrer. Seine Miene war düster. „Ich habe den Raum gemieden, nachdem ich nicht mehr unterrichten konnte.“ Er warf der Wirtscha fterin einen strengen Blick zu.
    Sie stand mit gefalteten Händen in der Tür. „Der Raum war nicht abgeschlossen“, sagte sie. „Wir schließen nie ab. Wahrscheinlich haben Kinder hier drin gespielt. Sie wissen ja, wie Kinder sein können.“
    „Das ist die pure Lust an der Zerstörung!“, rief der Pfarrer und schwenkte seine Hand über das Chaos. „Kinder geben sich noch keine Mühe, sie zu verbergen.“
    „Ich wollte morgen mit dem Unterricht beginnen.“ Erik fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich kan n hier unmöglich unterrichten.“
    Der Pfarrer stieß seinen Stock in eine der Dielen. Die Eisenspitze drang mühelos in das morsche Holz ein. Er zog sie mit einem Ruck heraus und betrachtete sie missmutig. „Sie haben Recht“, sagte er. „Wir müssen renovieren.“ Er legte Erik besänftigend eine Hand auf den Arm. „Es kommt auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht

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