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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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auf mich zu. Zuerst dachte ich, es wäre mein Mann. Ich dachte, er hätte sich vielleicht doch aufgerafft, um nach dem Schaf zu suchen. Aber dann sah ich, dass das, was da auf mich zukam, kein Mensch war. Es war ein Geißbock. Er war groß und schwarz, und er hatte lange gekrümmte Hörner. Das war sehr seltsam, weil es hier in unserer Gegend keine Geißböcke wie diesen gibt.“
    „Vielleicht hatte er sich verirrt.“
    „Mag sein. Aber das war noch nicht das Seltsamste.“ Sie beugte sich noch näher zu ihm, und er konnte ihren Atem an seiner Wange spüren. „Das Seltsamste war, dass er aufrecht lief.“ Sie machte eine Pause, um ihre Worte wirken zu lassen. Die Härchen auf Eriks Armen richteten sich auf.
    „Er stand auf seinen Hinterbeinen und lief aufrecht über das Eis“, fuhr Kathi fort. „Als er mich sah, blieb er stehen. Er sah mich lange an, und dann grinste er.“
    Erik zwang ein spöttisches Lächeln auf sein Gesicht. Aber es konnte die Gänsehaut auf seinen Armen nicht vertreiben.
    „Es ist wahr!“, sagte Kathi. „Ich schwöre, er hat mir seine gelben Zähne gezeigt! Dann ließ er sich auf alle Viere fallen und verschwand wieder im Schneetreiben, so schnell wie er aufgetaucht war. Ich bin gelaufen, wie ich mein Lebtag nicht gelaufen bin. Als ich im Tal ankam, sah ich den Rauch schon von weitem. Unser Haus brannte, und viele Leute standen davor und versuchten es zu löschen. Aber es war nicht mehr zu retten, und mein Mann ebenso wenig. Oh, ich habe gewusst, dass etwas Schlimmes passieren würde. Ich habe es in dem Moment gewusst, als ich den Geißbock sah.“ Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Wenn ich mir selbst dabei zuhöre, wie ich diese alte Geschichte erzähle, dann weiß ich, dass sie wie ein Ammenmärchen klingt. Aber so wahr ich hier sitze, so hat es sich zugetragen. Ich habe den Teufel gesehen an jenem Tag.“
    Erik räusperte sich. „Es tut mir leid um Ihren Mann“, sagte er. „Das muss ein ziemlicher Schlag für Sie gewesen sein.“
    „Oh, es muss Ihnen nicht leid tun um ihn. Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Er war kein guter Mann.“
    Erik schwieg betroffen.
    „Glauben Sie mir denn?“, fragte sie. „Glauben Sie, dass ich den Teufel gesehen habe?“
    Als Erik aufblickte, spiegelte sich erneut das Licht der Glühbirnen auf den Gläsern von Kathis Brille. „Ich bitte um Verzeihung“, sagte er leise, „aber ich glaube eher, dass Ihnen Ihre Einbildung einen Streich gespielt hat.“

Kapitel 1 1
     
    In diesem Moment kamen Benedikt, der Pfarrer und der Bürgermeister zurück. „Dieser verdammte Felix und sein hinterhältiges Weib!“ Benedikt ließ sich auf die Bank fallen, schenkte sich einen Schnaps ein und stürzte ihn ohne abzusetzen hinunter.
    „Lass es jetzt gut sein, Benedikt“, murmelte der Pfarrer. „Wir wollen uns diesen wunderbaren Tag nicht verderben lassen.“ Er setzte sich neben Erik. „Erik, trinken Sie noch etwas, Sie sitzen ja schon wieder auf dem Trockenen .“ Er schenkte Eriks Glas voll. Erik sah, dass seine Hand zitterte.
    „Alles in Ordnung, Thomas?“, fragte Benedikt.
    „Ja, ja, es geht schon.“ Der Pfarrer klang müde. „Es war ein langer Tag, und ich habe mich etwas überanstrengt. Anna wird fuchsteufelswild sein. Ich sollte bald aufbrechen. Aber ich habe noch ein Geschenk für dich, Benedikt.“
    Benedikt lächelte. „Ich habe mich schon gefragt, wann du damit herausrückst.“
    „Entschuldigt mich bitte kurz.“ Der Pfarrer erhob sich mit einem Ächzen und ging zwischen den Tischen hindurch zu den Stallungen. Seine Schritte wirkten langsam und unsicher. Als er kurz darauf wieder aus dem Stall kam, hielt er ein kleines, schneeweißes Lamm in seinen Armen. Er ging zu ihrem Tisch zurück, drehte sich um und ließ seine Augen über den Hof wandern. Nach wenigen Sekunden verstummten die Gespräche und die Musik. Ohne ein Wort zu sagen war es dem Pfarrer gelungen, sich die volle Aufmerksamkeit zu sichern. Das Lamm blökte einmal und lag dann ruhig in seinen Armen. Als es im Hof so still war, dass Erik das Summen der Glühbirnen hören konnte, begann der Pfarrer zu sprechen.
    „Meine Freunde. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen von einer Zeit, die nun schon sehr lange vergangen ist. Es war eine Zeit, in der alle Tiere noch sprechen konnten wie wir und miteinander in Frieden lebten. Damals ging der Fuchs einträchtig mit dem Hasen und dem Hahn, der Wolf mit Hund und Schaf, die Katze mit der Maus. Auch trug keines der Tiere

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