Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
auf den Tisch , dass die Krüge schepperten. „Als die Kirche vor vielen Jahren vom Blitz getroffen wurde und bis auf die Grundmauern abbrannte, hat er sie noch einmal aufgebaut. Mit seinen eigenen Händen. Noch schöner als zuvor!“
Der Pfarrer nickte. „Das ist wahr.“
„Sie haben alles selbst gebaut? Zweimal?“
Thomas Hellermann lächelte.
„Wenn ich es Ihnen sage!“, rief Benedikt. Dann beugte er sich nach vorne. „Aber erzählen Sie uns von sich, Erik“, sagte er. „Was hat Sie nach Thannsüß verschlagen?“
Erik räusperte sich und überlegte kurz. „Nun, es gab da einige persönliche Differenzen an der Schule in München, an der ich angestellt war. Sankt Augustin, so heißt die Schule. Man hat mir nahegelegt, den freien Posten hier zu übernehmen. Bis jetzt habe ich es nicht bereut.“
„Ah, Sankt Augustin. Der heilige Augustinus von Hippo. Ein großer Mann, und ein großer Lehrer“, sagte der Pfarrer.
„Sind sie verheiratet?“, fragte Benedikt.
„Ja. Meine Frau Marie wird bald nachkommen. Sie erwartet ein Kind.“
„Das ist wunderbar“, murmelte Benedikt. Er tauschte einen kurzen Blick mit dem Pfarrer. „Aber warum ist Ihre Frau nicht hier?“, fragte er dann.
„Sie regelt noch einige Angelegenheiten in München.“
„Ich hoffe, sie lässt Sie nicht allzu lange warten! Ein Mann Ihres Alters sollte nicht allein sein.“ Er zwinkerte ihm zu, und Lachfalten spalteten seine geröteten Wangen.
Erik erwiderte sein Lächeln. „Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen.“ Ich wünschte, du wärest hier, Marie , dachte er. Ich wünschte, du könntest all diese merkwürdigen Menschen kennen lernen und abends, wenn wir im warmen Bett liegen, gemeinsam mit mir über sie lachen.
„Was ist mit Ihren Eltern, Erik?“, fragte Benedikt. „Sind die auch in München?“
Erik schüttelte den Kopf. „Sie sind beide tot.“
„Oh, der verdammte Krieg!“, sagte Benedikt.
„Thomas hat mir den schwarzen Fleck vor der Kirche gezeigt. Den Fleck, den die Bombe dort hinterlassen hat.“
Benedikt sah ihn lange an. Er blinzelte nicht, und in seinen Pupillen sah Erik sein eigenes Spiegelbild. „Die Bombe, ja“, sagte er schließlich langsam. „Wir hatten großes Glück.“
Erik hatte das unangenehme Gefühl, dass er ein unerwünschtes Thema angeschnitten hatte. „Thomas hat mir auch erzählt, dass Sie das Dorf vor den deutschen Soldaten gerettet haben“, sagte er schnell.
Benedikt zog die buschigen Augenbrauen hoch. „Eine schlimme Nacht! Aber Sie sollten nicht alles glauben, was Thomas Ihnen auftischt. Er neigt zur Übertreibung.“
Der Pfarrer lachte laut auf. „Das sagt der Richtige!“ Sein Lachen ging in ein keuchendes Husten über.
„Sind Sie ein gläubiger Mann, Erik?“, fragte Lothar Brant. Der kleine Mann sah ihn von der Seite an.
Erik rutschte unruhig auf der Bank hin und her.
„Erik ist Atheist“, sagte der Pfarrer.
Für einen Moment senkte sich Stille über den Tisch. Benedikt bemerkte Eriks erschrockenen Blick und ließ sein dröhnendes Lachen hören.
„Woher wissen Sie das?“, fragte Erik aufgebracht.
„Nun, ich konnte nicht umhin, Ihre Akte zu lesen, Erik. Das Schulamt hat sie uns zugeschickt.“
Lothar Brant räusperte sich. „Sie glauben nicht an Gott?“
Erik starrte in seinen Bierkrug. Dann hob er den Krug an die Lippen und nahm einen kräftigen Zug. „Nein, ich glaube nicht an Gott“, sagte er etwas lauter als nötig.
Der Pfarrer nicke. „Der Glaube ist eine Sache, die jeder mit sich selbst ausmachen muss.“
„Sind Sie abergläubisch, Herr Lehrer?“, fragte Benedikt.
Erik lächelte gequält. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Von seinem Platz aus hatte er eine großartige Aussicht auf die Felder von Thannsüß. Vor dem Waldrand drehten sich die Flügel der Windmühle träge in der Brise. Er nahm den Anblick in sich auf, ehe er sich wieder der Runde am Tisch zuwandte. „Nein, ich denke nicht.“
„Sie denken nicht. Und glauben Sie an den Teufel?“
„Nein.“
„Das sollten Sie aber.“ Benedikt erhob sein Glas und betrachtete es kurz. „Das sollten Sie wirklich.“ Er kippte den Schnaps hinunter, ohne mit ihnen anzustoßen. Auch Erik nahm sein Glas vom Tisch und leerte es, und diesmal fand er das Brennen des Schnapses sonderbar tröstlich.
„Hier oben spielt der Glaube seit jeher eine wichtige Rolle im Leben der Menschen, Erik“, sagte der Pfarrer. „Das ehrliche und einfache Leben, die Abgeschiedenheit der Berge und die
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