Der Teufel in uns - Mord in Bonn
wär’s mit morgen Mittag? Aber ich kann erst so ab 14 Uhr. Wo wohnst du überhaupt?“
„In Kessenich. Das mit der Zeit trifft sich gut, ich hab auch erst um halb drei frei.“
Sie machten Ort und Zeit aus. Sascha ließ sich ihre Telefonnummer geben und schaffte es mit diversen Ausreden (kein Festnetzanschluss, Handy kaputt), seine eigene Nummer zu verschweigen.
Er verabschiedete sich von Ramona, stieg in seinen Wagen und fuhr erst einmal in der falschen Richtung weiter, bis er sicher war, dass sie ihm nicht mehr folgte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie wusste, wo er wohnte.
Wieder zu Hause, rief er im Büro an, wo Manfred neben Andreas auch Dienst tat, und bat ihn, Ramona Linke zu überprüfen und ihm das Ergebnis mitzuteilen.
*
Bonn-Lengsdorf - 16.00 Uhr
Gottfried sah es als eine Art Prüfung. Er musste Gott zeigen, dass er geduldig, verständnisvoll und voller Liebe war. Denn nur so konnte er Tina mit all ihren Verschrobenheiten und Schwächen akzeptieren. Und nur, wenn er das tat, konnte er sie für sich gewinnen.
60, 61, 62...Gottfried hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Fußspitzen unters Sofa geklemmt und machte Sit-ups. 70, 71, 72... Es konnte nicht schaden, Gott ein bisschen unter die Arme zu greifen bei der Heilung seiner tückischen Krankheit.
Noch war sie nicht ausgebrochen, aber natürlich hatte er schon erste Symptome bei sich bemerkt: dieses komische Kribbeln in den Beinen und manchmal Schwäche beim Gehen, und mehrmals war er sicher gewesen, mit einem Auge nicht mehr richtig sehen zu können. Bisher war alles wieder von allein verschwunden.
Aber er kannte die schleichenden Symptome der Krankheit seines Vaters, mit dem es von Jahr zu Jahr bergab gegangen war. Irgendwann hatte Gottfried es nicht mehr ausgehalten und war abgehauen. Mit 17 Jahren. Hatte seine Mutter mit dem schwerkranken Mann alleingelassen. Das hatte er sich bis heute nicht verziehen. Das musste er wiedergutmachen.
90, 91, 92... Verdammt, konnte er nicht an was Schönes denken? Daran zum Beispiel, wie er gestern Ramona aus den Fängen des Wahnsinnigen gerettet hatte! Für ein paar Minuten hatte er sich gefühlt wie ein Held, klug, stark, furchtlos! Er hatte zu Jonas hinübergesehen, der in der Gefahr untätig geblieben war, der sich bleich und erschrocken hinter ein paar Frauen versteckt hatte, der feige Schwätzer!
Gottfried hörte mit den Sit-ups auf und fragte sich, ob auch Tina aufgefallen war, wie Jonas sich verhalten hatte, und welche Schlüsse sie daraus zog. Gesagt hatte sie nichts, nicht einmal zu Gottfrieds mutigem Einsatz. Halt, doch – sie hatte mit ihm geschimpft, wie er so leichtsinnig hatte sein können, sich mit einem ausgerasteten Holger anzulegen. War das ein Zeichen ihrer Sorge um ihn?
Er legte eine Hand auf seinen Bauch. Kein Fett, nur Muskeln. Ganz kurz stellte er sich vor, die Hand gehörte Tina, und sie würde ihn streicheln...aber so weit war es noch lange nicht. Gottfried dachte an ihre Augen, ihr Lächeln, ihre samtige Haut, ihre zarten Hände, und seine Sehnsucht nach ihr tat fast weh.
Warum musste er unbedingt eine Frau lieben, die mit ihren Gedanken meistens bei einem anderen Kerl war! Würde er es je schaffen, sie diesen Jonas vergessen zu lassen?
Gottfried stand auf. Jawohl! Das würde er schaffen! Mit Geduld, Verständnis und Liebe!
Obwohl nur mit einer Unterhose bekleidet, schwitzte er wie das sprichwörtliche Schwein. Schwitzten Schweine überhaupt? Wie auch immer – ab unter die Dusche und dann zum Botanischen Garten, wo er wieder einmal mit viel Geduld und Verständnis auf Tina eingehen würde.
Während er warmes Wasser über seinen fast perfekten Körper laufen ließ, bat er Gott um Beistand für seine Begegnung mit Tina, und er dankte ihm für die Kraft, die er neuerdings verspürte, und dafür, dass er den Weg in diese wunderbare Gemeinde gefunden hatte. Und natürlich dafür, dass er im Supermarkt die letzte Tafel seiner Lieblingsschokolade erwischt hatte.
*
Bonn, Botanischer Garten - 17.15 Uhr
Mit kleinem Sicherheitsabstand saß Tina neben Gottfried auf einer Bank inmitten blau blühender, duftender Blumen. Es war angenehm warm, und unglaublicherweise trug Gottfried kein kariertes Hemd, sondern ein kräftig blaues Shirt, das seiner Meinung nach zu ihren `wunderschönen´ Augen passte.
Musste er immer so übertreiben mit seinen dauernden Komplimenten? Sie mochte das nicht! Wieso begriff er das nicht?
„Was hast du denn heute so gemacht?“,
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