Der Teufel in uns - Mord in Bonn
fragte er plötzlich.
„Was man als Alleinstehende an einem Feiertag halt macht.“ Ihr Ton war patzig. Mit Absicht. „Staubwischen, lesen, fernsehen, Achselhaare entfernen, Hunde vergiften, Kleinkinder überfahren.“
Daraufhin starrte er sie mit seinen fast schwarzen Augen lange an und lächelte auf einmal. „Warum reagierst du so? Was gefällt dir an meinen Fragen nicht?“
„Das ist alles so oberflächlich“, behauptete sie, ohne ihn anzusehen.
„Nein, es interessiert mich wirklich, was du gemacht hast.“ Und nach einer Pause: „Worüber möchtest du denn reden?“
„Ich möchte wissen, was du eigentlich von mir willst!“
„Ach, Tina, das weißt du doch.“
Ein Paar in mittleren Jahren schlenderte händchenhaltend an ihnen vorbei. Die beiden lachten und plauderten miteinander. Vermutlich kannten sie sich noch nicht lange. Tina stellte sich gerade vor, wie sie mit Jonas den Weg entlang spazierte, als Gottfried weitersprach.
„Ich finde, wir passen unheimlich gut zusammen. Wir haben dieselben Interessen, sind beide allein und wir möchten, wie so viele, nur ein bisschen Liebe und Glück...warum nicht miteinander? Findest du mich als Mann nicht anziehend?“
Du lieber Gott! Tina fühlte, wie sie rot wurde. Sie begann an ihrem rechten Ohrläppchen zu reiben und räusperte sich, bevor sie antwortete. „Wenn das so wäre, hätte ich mich wohl kaum hier mit dir getroffen!“
„Richtig.“ Sein Blick wurde traurig. „Aber ich bin doch nur so eine Art Trostpflaster! Eigentlich willst du Jonas.“
„Ich bin mir nicht sicher.“ Was hatte sie denn da gesagt? Auf einmal hatte sie ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Bevor sie sich jedoch damit befassen konnte, redete Gottfried weiter.
„Was kann ich tun, damit du diesen Kerl vergisst?“
Tina brauchte nicht lange zu überlegen. „Gib mir Zeit, um herauszufinden, ob Jonas wirklich der ist, für den er sich ausgibt.“
Das konnte Gottfried anscheinend nicht auf sich beruhen lassen. Er verschränkte die sehnigen und ziemlich behaarten Arme vor der Brust und fragte: „Was meinst du damit? Du hast neulich schon mal so ’ne Andeutung gemacht.“
Tina zögerte. Sollte sie ihn einweihen? Nein, noch nicht. „Ich weiß nichts Genaues. Ich verdächtige Jonas auch nicht wirklich, aber ich habe trotzdem Angst, dass er...dass er vielleicht was mit den Ritual-Morden zu tun haben könnte.“
Gottfried sah sie an, als hätte sie behauptet, der Papst sei verheiratet und habe fünf Enkelkinder. „Tina, wie kommst du denn auf so was?“
„Dieser komische Typ gestern, der mit der Brille und dem Hut, der uns weismachen wollte, dass er Filme dreht, der hat mich drauf gebracht. Was, wenn der von der Polizei war und sich bei uns eingeschlichen hat, um Jonas auf die Finger zu gucken?“
Gottfried rieb sich mit einer Hand unter dem Kinn in seinem Bart herum. „Du wirst lachen... Ich hatte auch die Idee, dass der Kerl von der Polizei sein könnte. Aber ich dachte, er sei wegen Holger gekommen.“
„Schön und gut, aber warum hat er sich dann nicht zu erkennen gegeben, nachdem er Holger unschädlich gemacht hat?“
„Weil er entweder doch kein Polizist ist, oder weil er es auf jemand anderen abgesehen hat.“
„Du sagst es.“
„Und du meinst wirklich, Jonas könnte der Killer sein?“
„Nein, wahrscheinlich nicht. Aber ich werde die Augen offen halten.“ Tina stand auf. „Komm, lass uns ein bisschen spazieren gehen. Und dann suchen wir uns ein nettes Lokal – ich hab allmählich Hunger.“
*
Bonn, Maxstraße - 17.55 Uhr
Benjamin legte eine gefaltete Decke auf den Fußboden, auf eine ganz bestimmte Stelle unter dem Kreuz, das zwischen den beiden Fenstern seines Wohnzimmers hing. Davor platzierte er eine Stoppuhr, eine Nadel und ein Glasschälchen.
Auf dieser Decke kniete er um Punkt 18 Uhr nieder und betete. Ein paar Vaterunser und ein paar selbst gestaltete Sätze, nach dem Vorbild seiner damaligen Therapiegruppe. Benjamin wusste, dass psychisch labile Menschen einen stabilen Tagesrhythmus brauchten, und das Beten zu festen Zeiten half ihm, der Versuchung zu widerstehen.
Seit etwa drei Wochen vollzog er eine Art Ritual nach dem Beten: Ein paar Mal holte er tief Luft, drückte auf die Stoppuhr, hielt die Luft an und bemühte sich, seine Gedanken und Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Er atmete nicht, bis ihm fast schwarz vor Augen wurde, dann aber saugte er gierig Luft in seine Lungen, drückte wieder auf die Stoppuhr und griff nach
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