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Der Teufel in uns - Mord in Bonn

Titel: Der Teufel in uns - Mord in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
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der Nadel. Kraftvoll stach er sich damit in den Zeigefinger, quetschte einen Tropfen Blut heraus und ließ ihn in das Schälchen fallen. Ein Blutopfer. Jeden Tag ein Tropfen Blut. Damit Gott ihn nicht vergaß. Und ihn in Zukunft vielleicht etwas besser behandelte.
    Das erinnerte ihn natürlich an das, was ihn vor drei Wochen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, und sofort kippte seine Stimmung. Sofort war das Gefühl wieder da: dieses Gefühl von Demütigung, von Wertlosigkeit, von Selbsthass... Wochenlang hatte er mit dieser Tussi im Internet gechattet, hatte sich Hoffnungen gemacht, und dann servierte ihn die Kuh kaltschnäuzig ab und machte sich auch noch über ihn lustig!
    „Verflucht, Gott! Warum tust du das?“, klagte er. „Hab ich nicht endlich mal ein bisschen Glück verdient? Kannst du vielleicht mal aufhören mit dem Scheiß?“
    Benjamin ließ sich nach vorn fallen, schlug mit beiden Händen ein paar Mal wütend auf den Boden und fing an zu weinen. Wieso bekamen gerade die, die sowieso schon unten waren, immer noch einen Fußtritt obendrauf? Warum?! 
    Jetzt hatte er auch noch die Bullen am Hals! Und er glaubte nicht, dass die Verständnis hatten für das, was er getan hatte...obwohl er sich völlig im Recht fühlte! Er hatte vielleicht etwas Ungesetzliches getan, aber es diente einem guten Zweck! Ganz so, wie Jonas gesagt hatte! Man musste den Teufel bekämpfen, sobald man in sein hässliches Gesicht blickte!
    Dieser Gedanke richtete Benjamin im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf. Er kam auf die Knie, wischte sich mit den Händen Augen und Nase ab und dankte Gott für die Kraft, die er plötzlich in sich spürte. Er war auf dem richtigen Weg und er würde ihn weitergehen!
    Und jetzt würde er in die Kneipe nach Tannenbusch fahren, wo Jakob und zwei andere Kumpels auf ihn warteten, und er würde gut auf alle aufpassen.

    *

    Bonn - 18.00 Uhr
    Tabea trabte leichtfüßig und gleichmäßig atmend über das Laufband. Allmählich kam sie ins Schwitzen, trotz der geöffneten Fenster und der rotierenden Deckenventilatoren. Gedankenverloren schaute sie nach draußen und auf einmal machten sich ihre Erinnerungen selbständig und sprangen zurück zu einem sonnigen, heißen Augusttag vor 28 Jahren.
    Tabea, dünn, 12 Jahre alt, eher verschlossen und nachdenklich, saß mit Daniela im Kinderzimmer an dem Schreibtisch, den sie sich teilen mussten.
    Malen war die derzeitige Leidenschaft der Zwillinge. Tabea zeichnete mit Bleistift eine große Burg mit Zugbrücke und mehreren Türmen, die sie anschließend mit Wasserfarben ausmalen wollte. Diese Farben hatten einen ganz speziellen, aber nicht unangenehmen Geruch.
    Sonnenlicht fiel durch die Gardine mit dem groben Lochmuster, das sich als Schatten auf dem holzfarbenen PVC-Boden abmalte. Tabea zeichnete gerade eine Fahne auf einen der Türme, als die Zimmertür aufgerissen wurde und ihre Mutter hereinplatzte. Und aus ihrem scheinheilig bedauernden Blick schloss Tabea sofort, was jetzt auf sie und Daniela zukam.
    „Hört mal, ihr zwei, ich muss dringend weg und komme erst heute Abend wieder, und deshalb bringe ich euch gleich zu Onkel Helmut. Macht euch schon mal fertig.“
    „Aber Mama, wir sind doch keine Babys mehr! Wir können auch alleine hier bleiben!“, protestierte Tabea sofort.
    „Ich weiß nicht, warum ihr neuerdings immer so ein Theater macht! Ihr bleibt nicht allein hier! Punkt und aus!“
    Mutter rauschte aus dem Zimmer, und Tabea bekam Magenschmerzen, als sie an Onkel Helmuts süßlich-fauligen Atem dachte, an seinen schmierigen Pullover, den er nie zu wechseln schien und der nach Schweiß und Zigarettenrauch stank, an seine irgendwie schmutzigen Finger, mit denen er Tabea gern im Gesicht herumfummelte, bevor er auf einem ,Onkel-Küsschen‘ mitten auf den Mund bestand.
    Am Blick ihrer Zwillingsschwester erkannte Tabea, dass in ihrem Kopf der gleiche Film ablief. Trotzdem redeten sie nicht darüber, sondern ließen sich eine halbe Stunde später stumm und widerstandslos bei Onkel Helmut absetzen.
    Er lebte ganz allein in einem kleinen Häuschen mit großem Garten etwas außerhalb der Stadt, und es hätte ein verwunschener, idealer Ort für phantasievolle Kinderspiele sein können, wären da nicht die verdreckten Zimmer gewesen und die kaputten Flaschen und anderer Unrat auf der Wiese, die vermutlich noch nie gemäht worden war. Und natürlich der Onkel selbst, dieses schmutzige, unberechenbare Monster.
    Da es draußen zu heiß zum Spielen war, machten

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