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Der Teufel in uns - Mord in Bonn

Titel: Der Teufel in uns - Mord in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
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Tabea und Daniela das, was sie meistens bei Onkel Helmut taten: im Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzen. In der Hinsicht war er großzügig - aber nur deshalb, weil er sich dann neben eine von ihnen aufs Sofa quetschen und den Arm um seine jeweilige Lieblingsnichte legen konnte.
    So heiß war es, dass der Onkel nur mit grauen Shorts bekleidet herumlief, die unter seinem prallen Bauch hingen. Seine Brust bedeckten dunkle Haare, in denen Schweißtropfen glitzerten. 
    Am liebsten hätte Tabea die Augen zugemacht, sich Watte in die Nase gestopft und sich in irgendeine dunkle, kühle Ecke verkrochen. Aber da es hier nur dreckige Ecken gab, setzte sie sich auf die schmuddelige, braungemusterte Decke, die Onkel Helmut über das Sofa drapiert hatte.
    Keine 10 Sekunden später ließ er sich neben Tabea plumpsen, gab ihr ein Küsschen auf die Backe (Tabea hielt die Luft an) und fragte: „Na, bin ich dein allerbester Onkel?“
    „Klar“, behauptete sie und versuchte seine Hand, die über ihre nackte Schulter rieb, und den Gestank nach Alkohol in seinem Atem zu ignorieren. Und sie fragte sich zum hundertsten Mal mit dem bittersüßen Gefühl von Hass im Bauch, was ihre Mutter wohl so Dringendes zu erledigen hatte, dass sie ihre Töchter einem Schmierlappen wie Onkel Helmut zum Fraß vorwarf! Tabea machte sich steif und starrte auf den Tisch, auf dem neben einer offenen Dose Thunfisch eine braune Socke lag. Unerwartet ließ Onkel Helmut seine Nichte los und beugte sich vor, um sich einen Schnaps einzugießen. Ein halbes Wasserglas voll. Er schüttete es auch wie Wasser in sich hinein, rülpste und zündete sich eine Zigarette an.
    Tabea hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Bevor der Onkel sie wieder im Griff hatte, sprang sie auf und piepste: „Ich muss mal!“
    Und neben ihr behauptete Daniela: „Ich auch!“
    Der Onkel lachte. „Na, ihr zwei macht ja wohl immer alles zusammen.“
    Ja, so war es. Sie schlossen sich zu zweit in der übel riechenden Toilette ein, umarmten sich und vergossen schweigend ein paar Tränen. Als es ihnen ein klein wenig besser ging, besprachen sie flüsternd, was zu tun sei. Ob es nicht besser war, einfach wegzulaufen, auch wenn die Mutter dann für den Rest ihres Lebens nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte.
    „Wir müssen uns doch gar nicht aufs Sofa setzen, wir können doch auf dem Boden sitzen“, schlug Daniela vor, die noch nie viel vom Weglaufen gehalten hatte.
    „Ja, ok, machen wir das“, meinte Tabea, obwohl sie sicher war, dass es auf dem alten Teppich vor unappetitlichen Sachen nur so wimmelte, aber alles schien besser, als sich vom alten Onkel begrabschen zu lassen!
    Sie betätigten die Wasserspülung, sprachen sich noch ein wenig Mut und Trost zu, verließen die Gästetoilette und schauten sich im Flur ein paar an der Wand hängende Fotos an, die sie sicher schon tausendmal gesehen hatten.
    Schon da fiel Tabea dieser komische Geruch auf – es roch anders als vorhin, irgendwie...verbrannt.
    Der Grund dafür wurde klar, als sie die Wohnzimmertür erreichten und ins Zimmer sahen: Onkel Helmut hatte sich aufs Sofa gelegt und war anscheinend sofort eingeschlafen. Mit der brennenden Zigarette in der Hand. Die Zigarette war auf eine zusammengefaltete Zeitung gefallen, die auf dem Teppich zwischen Tisch und Sofa lag, und das Papier hatte bereits Feuer gefangen. Flammen züngelten am Sofa empor, Onkel Helmut schlief weiter. Und –
    „Entschuldigung?“
    Tabea drehte den Kopf und schaute direkt ins Gesicht des mittelalten Mannes mit Brille, der sie schon seit Wochen immer wieder einmal während des Trainings anglotzte. Was wollte der Typ von ihr?
    „Ja, was denn?“, antwortete sie gereizt.
    „Ich frag mich schon die ganze Zeit, ob wir uns nicht von der Schule her kennen... Realschule, Beuel. Du bist Tabea Römer, stimmt’s?“
    Der Mann mit den blauen Augen und dem lächerlich kurzen Sporthöschen schenkte ihr ein schalkhaftes, sympathisches Lächeln – und da erkannte sie ihn.
    „Genau, und du bist Richard, der kleine Richard!“ Jetzt lachten sie beide. „Du bist aber nicht viel gewachsen!“
    „Danke.“ Er guckte gespielt beleidigt. „Wie wär’s, wenn wir nach dem Training einen Kaffee trinken und ein bisschen quatschen?“
    „Gute Idee.“
    Richard trollte sich zurück zu seinen Hanteln. Falls er irgendwelche Absichten hatte, sollte er sie schleunigst vergessen. All die Männer hier im Raum, ob mit oder ohne Muskeln, konnten Jonas nicht das

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