Der Teufel in uns - Mord in Bonn
gewesen, welchen Grund sollte sie haben, ihr Opfer jetzt noch umzubringen? Aber aus welchem Grund hatte sie die beiden anderen alten Frauen umgebracht?
Bevor Elfriedes Verstand noch weiter mit sich selbst diskutieren konnte, hörte sie Schritte auf
der Treppe. Schritte, die näher kamen, die lauter wurden. Jetzt waren sie im Flur.
Elfriede hielt die Luft an. Würde die Frau ins Wohnzimmer kommen? Würde sie ihre Finger an Elfriedes Hals legen? Das Ohr an ihren Brustkorb legen? Den Atem konnte sie eine Weile anhalten, ihren Herzschlag natürlich nicht.
Ganz sacht ließ sie die Atemluft entweichen, genauso sacht holte sie noch einmal tief Luft. Es war so schrecklich still. Was machte die Frau? Schaute sie von der Tür ins Zimmer? Hatte sie eine Bewegung bemerkt? Würde sie –
Völlig unerwartet klingelte im Flur das Telefon, so plötzlich, dass Elfriede zusammenzuckte. Hatte die Frau das gesehen? Sofort hielt Elfriede den Atem an, ihr Körper wurde steif und starr, aber ihr Herz schlug so wild, dass die Frau es garantiert bemerken würde!
Doch die Schritte entfernten sich schnell, leise, die Haustür wurde geöffnet und wieder zugezogen. War die Frau weg? Oder tat sie nur so?
Minutenlang blieb Elfriede reglos liegen. Das Telefon war längst verstummt, als ihre Nasenspitze anfing zu jucken. Eine Weile hielt sie das aus, dann war es ihr egal, ob ein Dutzend Verbrecherinnen in ihrem Wohnzimmer standen und sie beobachteten! Sie musste sich kratzen! Heftig riss sie das Kissen vom Gesicht, rieb sich die Nasenspitze und warf ängstliche Blicke um sich. Niemand da. Erleichtert nahm sie ein paar tiefe Atemzüge, und ihr Herz schlug allmählich langsamer.
Dann versuchte sie ganz vorsichtig, sich auf den Bauch zu drehen. Gott, tat das weh! Ihre Hüfte sandte höllische Stiche aus. Elfriede schrie mehrmals laut auf, während sie sich herumwälzte. Sie weinte vor Schmerz. Wo war das Armband mit dem Notrufknopf, das sie abgelegt hatte, als sie in den Vorgarten ging? Auf dem Tischchen neben ihrem Fernsehsessel.
Zentimeter um Zentimeter rutschte sie über den Boden auf das Tischchen zu, benutzte die Arme, um sich vorwärts zu schieben, und bewegte die untere Körperhälfte so wenig wie möglich. Vor dem Tisch angekommen, ruhte sie sich ein bisschen aus, bevor sie sich mit einer letzten Kraftanstrengung hochstemmte, um an das Armband heranzukommen.
Sie weinte, sie schrie, sie schimpfte, dann hatte sie das Armband, ließ sich damit auf den Boden sinken und drückte auf den großen, roten Knopf. Drei Sekunden später ertönte aus dem Flur, aus dem Kästchen neben dem Telefon, eine laute Stimme, die ihren Namen nannte und sich erkundigte, ob etwas passiert sei.
Elfriede brüllte um Hilfe.
*
Bonn, Polizeipräsidium - 18.05 Uhr
Kurz nach sechs wurde Andreas darüber informiert, dass die Raubmörderin wieder zugeschlagen hatte, diesmal in Siegburg. Aber überraschenderweise schien die alte Dame den Überfall überlebt zu haben.
„Wo ist die Frau jetzt?“, fragte Andreas.
„Sie wird wohl gerade ins Siegburger Krankenhaus gebracht.“
„Kann ich mit ihr reden?“
„Keine Ahnung“, teilte der Kollege ihm mit.
Andreas sagte Manfred und Petra Bescheid, die beide noch im Haus waren, und versuchte anschließend telefonisch, irgendeinen Arzt im Krankenhaus zu erwischen, der Näheres wusste. Nach endlosen Telefonaten war er endlich mit dem Notarzt verbunden. Er erfuhr, dass sie gerade geröntgt wurde, da sie wahrscheinlich einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hatte, der am nächsten Morgen operiert werden sollte.
„Also könnte ich theoretisch nachher mit der Frau reden?“ Andreas machte seinen Ton dringend.
„Theoretisch schon, aber Frau Esser hat starke Schmerz- und Beruhigungsmittel bekommen, und nach dem, was sie erlebt hat, steht sie natürlich unter Schock. Deshalb halte ich es nicht für –“
„Herr Doktor, das ist mir klar! Aber hier geht es um zwei Morde, und daher brauche ich so rasch wie möglich eine Aussage von Frau Esser!“ Andreas dachte praktisch: Was, wenn die Frau im OP verstarb und keine Aussage mehr machen konnte? „Vielleicht können wir so verhindern, dass es weitere Morde gibt!“
Das sah der Arzt immerhin ansatzweise ein, argumentierte aber noch eine Viertelstunde herum, um dann eine fünfminütige Befragung zu erlauben.
Andreas zitierte Petra ins Büro. „Schnapp dir Walter oder wen du sonst auftreiben kannst und sieh dich am Tatort um. Und quetsch die Nachbarn aus. Ich fahre mit
Weitere Kostenlose Bücher