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Der Teufel kommt raus: Kriminalroman

Der Teufel kommt raus: Kriminalroman

Titel: Der Teufel kommt raus: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blair S. Walker
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Menschen beheimatet. Das erstaunt und betrübt mich immer wieder.
    Wenn »Die Hölle« nicht wäre, würde ich vielleicht gar nicht für den
Herald
arbeiten. Bis im Jahre 1968, als innerstädtische Unruhen den Nachthimmel dort zu einem teuflischen Orange färbten, hatte die Zeitung noch nie einen schwarzen Reporter gehabt. Zu jenem Zeitpunkt jedoch war der damals lilienweiße
Herald
gezwungen, schwarze Mitarbeiter aus der Registratur und aus der Poststelle zwangsweise zum Reporterdienst zu verpflichten.
    Seither haben viele schwarze
Herald
-Reporter an städtischen Kriegsschauplätzen als Augen und Ohren der Zeitung gedient. Wenn auch nicht im beschaulichen Hauptstadtbüro im malerischen Annapolis. Oder im prestigeträchtigen Washingtoner Büro 72 Kilometer weiter südlich.
    Wenigstens wird meine Berichterstattung aus der »Hölle« niemals hinterfragt oder angezweifelt, und ich wäre schockiert, wenn sich auch nur einer meiner Redakteure beim
Herald
je bis näher als fünf Häuserblocks an diese raue Wohngegend herangewagt hätte.
    Die Abendluft hat etwas Tröstliches, fast Linderndes. Die Temperatur beträgt an die 23 Grad, ohne die erdrückende Luftfeuchtigkeit, die sonst von der Chesapeake Bay heraufkriecht, um die Stadt zu martern. Was heute Abend auch zu dem Mord geführt haben mag, Hitze hat dabei keine Rolle gespielt.
    Dieser Abend ist zu schön, um zu sterben.
    Zwei Mädchen im Teenageralter in knappen Jeans-Hotpants, die die entsetzliche Tragödie nur wenige Meter entfernt gar nicht zu bemerken scheinen, tänzeln zum Rhythmus eines dröhnenden Ghettoblasters. Wie Background-Sängerinnen des Sensenmannes bewegen sich die Sensenfrauen in leichten Wellen und lachen und scherzen, wenn sie ein vertrautes Gesicht entdecken. Anscheinend haben die Sensenfrauen dieses schaurige Schauspiel schon öfter miterlebt und sind völlig unbeeindruckt davon.
    Da ich mit meinen 66 Kilo bei einer Größe von 1,78 Metern recht drahtig bin, schlängele ich mich mühelos durch die Menschenmenge, die nach Eau de Cologne, Kaugummi und dem penetranten Aroma von Starkbier stinkt.
    »Hab gehört, der Depp ist abgeknallt worden, weil er’s auf die Kasse abgesehen hatte«, murmelt ein Junge, der aussieht wie zehn, mit seiner schönsten Schlägertypenstimme. Sein gleichaltriger Kumpel nickt. Beide Jungs strengen sich an, sich wie harte, herzlose Gangstas zu geben, die sich von menschlichem Gemetzel nicht beeindrucken lassen. Doch es gelingt ihnen nicht, ihre Ehrfurcht und ihr Erstaunen darüber zu verbergen, ein Mordopfer aus nächster Nähe zu sehen.
    Für die zwei besteht noch Hoffnung.
    Die Jungs lenken mich so sehr ab, dass ich buchstäblich in eine attraktive, korpulente Schwarze Ende vierzig hineinrenne. Sie ist mit weißen Shorts, rosa Plastiksandalen und einem knallrosa Neckholder-Bustier bekleidet; ihr mahagonifarbenes Gesicht ist eine bebende Maske aus Abscheu und Entsetzen. Die Frau wringt ihre seltsam unweiblichen Hände so heftig, dass die Farbe aus ihnen entwichen ist.
    »Lawd, Jesus, Lawd, Jesus«, spricht sie eintönig vor sich hin, wie ein Mantra, um die Toten wieder zum Leben zu erwecken. Eine Verwandte oder Freundin des Mordopfers.
    Wenige Meter entfernt kann ein muskulöser Cop in weißer Uniform nur mit Mühe die Mutter des Opfers zurückhalten, eine zierliche, hellhäutige Frau mit kurzer Afro-Frisur. Sie ist schätzungsweise Anfang dreißig und trägt die gräulich-blaue Uniform der Stadtbusfahrer. Außer sich vor Schmerz, drischt sie auf den grimmig wirkenden jungen Polizisten ein und hinterlässt Tränenflecken auf seiner weißen Uniform. Ein Pas de deux des Todes.
    Tsunami-Wellen aus purem Schmerz ergießen sich unmittelbar von ihrer gepeinigten Seele zu ihren Stimmbändern, während sich die Frau nach Kräften bemüht, an dem Polizisten vorbei zu ihrem einzigen Kind zu gelangen, das etwa zehn Meter entfernt liegt.
    »Ooohweeeeeh«, kreischt sie. »Nein, Gott, oh neeeiiin.«
    Etliche Schaulustige begaffen die Leiche sowie die verzweifelte Mutter des Opfers und drehen die Köpfe hin und her wie bei einem Tennismatch. Ein paar Frauen fächeln sich Luft zu, aber eher, um ihre Anspannung abzureagieren, als um sich abzukühlen.
    »Bitte, Ma’am, es ist besser, wenn Sie Ihren Jungen jetzt nicht sehen«, sagt der Polizist, auf dessen Gesicht ein hilfloser und frustrierter Ausdruck liegt, während sich die untröstliche Frau heftig windet, um sich loszureißen.
    Wie aus dem Nichts bahnt sich ein sehr kleiner, wütend

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