Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
Dringlichkeit heraushören lässt.
»Sagen Sie es mir nicht, lassen Sie mich raten. Sie wollen jetzt das NAACP und das B-nai B’rith in die Luft jagen, stimmt’s?« Ausirgendeinem Grund, wahrscheinlich Langeweile, bleibe ich in der Leitung, statt aufzulegen.
Für einen Moment herrscht Stille, bis auf das leise Rascheln von Bettlaken, als ich mich drehe und wende, um eine bequeme Position für meinen Rücken zu finden. »Hör zu, Kumpel, werd erwachsen. Spiel deine Spielchen mit jemand –«
»Ich spiel keine Spielchen.« In der ruhigen, bestimmten Antwort liegt weder Aggression noch Feindseligkeit. Nur Besorgnis. Wer sie auch geäußert hat, hat mich auf subtile Art neugierig gemacht. »Viele Menschen werden zu Schaden kommen, und ich dachte, Sie wären vielleicht in der Position, etwas dagegen zu unternehmen.«
In jenem Moment in meinem Zimmer im Ida B. Wells Hospital wird mir klar, dass der Anrufer das wirklich glaubt. Er oder sie klingt zu klar, zu aufrichtig, um ein Spinner oder ein Scherzkeks zu sein.
Mir dämmert, dass ich möglicherweise, nur möglicherweise, tatsächlich in der Position sein könnte, unschuldige Leben zu retten und dabei auch noch eine verdammt gute Story rauszuschlagen.
»Warum rufen Sie bei mir an?«, frage ich und lehne mich vorsichtig mit dem Rücken an mein Kissen. In der Hoffnung, Stift und Papier zu finden, werfe ich einen Blick auf den kleinen Spind an meinem Bett. Kein Glück. »Warum nicht bei der Polizei?«
»Hab ich ja. Die können aber nix unternehmen, weil sie sagen, dass noch nix passiert ist.«
»Wenn Ihre Angaben der Wahrheit entsprechen, sagen Sie mir Ihren Namen. Wer sind Sie?«
Diese Bitte ruft ein leises Lachen hervor, das aber weder niederträchtig noch verächtlich klingt.
Entnervt
trifft es schon eher.
»Schaun Sie, wer ich bin, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass Sie wissen, dass ich die Wahrheit sage und dass Sie was unternehmen. Außerdem könnte ich zu Schaden kommen, wenn die rausfinden, dass ich mit Ihnen rede.«
»Wer sind ›die‹?« Am anderen Ende quietscht eine Tür laut in den Angeln.
»Ich muss Schluss machen«, flüstert der Anrufer verstohlen; dann höre ich ein Klicken, gefolgt von leichtem Rauschen, bevor das Freizeichen einsetzt.
Wie gewonnen, so zerronnen.
Diesmal ist mir nicht unheimlich wie neulich in der Redaktion des
Herald
. Ich bin mir halbwegs sicher, dass ich es mit einem guten Menschen zu tun habe, wenn auch einem etwas Fehlgeleiteten.
Nebenan gurgelt Schleim im Hals eines gequälten Wesens, dessen bellender Husten mit der Präzision eines Uhrwerks alle acht bis zehn Sekunden einsetzt.
Ich steige vorsichtig aus dem Bett, laufe mit den abgehackten Schritten eines alten Mannes zur Tür und schließe sie. Was der Typ nebenan auch ausrotzt, ich will es nicht.
Das erscheint mir nur vernünftig, aber Mama witzelt immer, ich wäre ein schwarzer Howard Hughes, der bekanntlich aus Angst vor Ansteckung keinem die Hand gab. Ich sehe die Lachfalten vor mir, die ihr glattes Gesicht zerknittern, wenn sie sagt: »Meister Proper, ich hoffe, da draußen gibt es eine Miss Proper. Ansonsten sehe ich für eine Heirat schwarz.«
Meine Gedanken schweifen von meiner Mutter zur Unberechenbarkeit des Lebens. Man kann sich in einem Moment noch super fühlen und sich schon im nächsten aufgrund eines blindwütigen Akts irgendeiner Pappnase im Krankenhaus wiederfinden. Während ich darüber nachgrübele, kommt Yolanda ins Zimmer stolziert, nachdem sie leicht an die geschlossene Tür geklopft hat.
Ihr Auftritt gestern war unverschämtes Tussi-Gehabe. Trotzdem muss ich zugeben: Die Frau ist ein Knaller. Ein Teil von mir würde sie am liebsten links liegen lassen; der andere will sie aufreißen.
Während sie auf mein Bett zukommt, sieht sie mir fest in die Augen, und ihr athletischer Körper verleiht dem simplen Vorgang, einen Teller mit Essen zu tragen, die Anmut einer Ballerina. Genau wie gestern bin ich von ihrem durchdringenden, unverwandten Blick leicht verunsichert.
Der wunderbare Duft ihrer Feuchtigkeitscreme kommt früher bei mir an als sie und schmeichelt meiner Nase, obwohl sie nochanderthalb Meter von mir entfernt ist. Ich erschaudere innerlich, zum Teil, weil ich mich frage, ob sie von meiner kleinen nächtlichen Fehlzündung erfahren hat. Und weil sie den Bereich in meinem Herzen anspricht, in dem sich der zu Schwärmereien neigende kleine Junge versteckt.
Die Frau ist gefährlich.
»Ich hatte gestern einen schlechten Tag«, sagt
Weitere Kostenlose Bücher