Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
selbst überzeugt zu sein.
»Hast du die Bullen gerufen?«
Dillard schnaubte verächtlich. »Teufel nein. Warum sollte ich die rufen, wo doch in deinem Truck Sprengstoff war?«
»Du hast Recht … Heeeeeyyyy, jetzt werden die Bullen hinter
mir
her sein! Hey, Mann, das ist total abgefuckt.« Allens Stimme klang weinerlich. Jeder Anschein, ein harter Kerl zu sein, hatte sich vollkommen verflüchtigt.
Dillard wusste, dass Allen etwas Beruhigendes von ihm hören wollte, dass auf wundersame Weise alles wieder gut würde. Aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte nur hoffen, dass ihm seine Unsicherheit und Verwirrung nicht anzuhören waren. Er spürte, dass er etwas tun musste, und zwar sofort.
»Keine Sorge, Junge – uns fällt schon was ein.« Dillard runzelte die Stirn. Es ärgerte ihn, dass sein Mundwerk ihn wieder einmal im Stich gelassen hatte. Wären General Patton oder Feldmarschall MacArthur so unelegant gewesen, wenn Inspiration gefordert war?
Manche Menschen überschreiten die Trennlinie zwischen Worten und Taten mit beneidenswerter Leichtigkeit. Selbst Martin Luther King hatte die Fähigkeit besessen, seine Leute nach Belieben zur Raserei zu bringen, dachte Dillard niedergeschlagen.
Er verspürte wieder die Kälte in seiner Brust, das deprimierende Gefühl, trotz all seiner Träume und Bemühungen das Gegenteil zu erreichen, machtlos und unbedeutend zu sein.
Als Jenny noch bei ihm war, hatte ihr herzliches, sonniges Gemüt die Eiszapfen an seiner Seele zum Tauen gebracht. Doch seit ihrem Tod erfüllten ihn oft eine Verzweiflung, eine Selbstverachtung und eine Feindseligkeit, die keine noch so große Menge Jack Daniels zum Schmelzen bringen konnte. Gott allein wusste, wie sehr er sich bemüht hatte.
Nach vierunddreißig Jahren war sein Leben alles andere als sensationell. Er ignorierte die quälende leise Stimme, die nicht davon abzubringen war, dass die Sterne, nach denen er griff, für ihn außer Reichweite waren und es auch immer bleiben würden.
Es war ja nicht seine Schuld, dass die Lehrer an Baltimores Schulen zu inkompetent waren, um seinen wahren Wert zu erkennen. Genau wie die Armee. Diesen Kreislauf musste er durchbrechen. Er musste ihn beenden, und dafür gab es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt.
Dillard warf dem ratlos wirkenden Allen einen Blick zu.
Ihn zu überzeugen wird nicht schwer sein – er glaubt sowieso schon, dass ich übers Wasser laufen kann, dachte Dillard. Bei den Alten, Harold Boyles und Robert Simmes, würde er Überzeugungsarbeit leisten müssen. Mit ihren einundvierzig beziehungsweise siebenunddreißig Jahren würden sie sich Dillards Geschichte mit mehr Skepsis anhören als Allen. Aber er würde schon mit ihnen fertig.
Dillard packte Allen im Genick, eine Geste, die als Beruhigung oder Bedrohung verstanden werden konnte. Wie Allen sie verstand, war unübersehbar. Er zuckte zusammen und schien bereit zu sein, aus dem fahrenden Wagen zu flüchten.
»Ich liebe dich wie einen Bruder, Junge. Aber wenn du unseren Plan gefährdest, puste ich dich sofort weg. Haben wir uns verstanden?«
»Wegen mir kannst du beruhigt sein«, antwortete Allen fast flüsternd. »Wenn du den Dreckskerl findest, der uns verpfiffen hat, erledige ich ihn eigenhändig.«
Dillard erlaubte sich ein Grinsen, das jedoch nicht das volle Ausmaß seiner Euphorie offenbarte.
Einen im Sack, und jetzt noch zwei.
Doch zuerst hatte er eine wichtige Verabredung im Altersheim »Zur Herde des guten Hirten«.
KAPITEL SIEBEN
Das beigefarbene Telefon an meinem Krankenhausbett überrascht mich, als es morgens um kurz vor acht plötzlich klingelt.
Ich erinnere mich nicht, nach einem Telefon verlangt zu haben. Außerdem sollte man doch meinen, dass das Krankenhauspersonal sich weigern würde, derart frühe Anrufe an die armen Schlucker durchzustellen, die sich alle Mühe geben, wieder gesund zu werden.
Als ich mich herumwälze, stellte ich fest, dass die pochenden Kopfschmerzen, die mich gestern geplagt haben, weg sind. Dafür tun mir der Rücken, die Schulter und der Kiefer so weh, als hätte ich ein Zugunglück überlebt. Mit dem Tausch kann ich leben.
Das sollte besser Eva Mendes oder Barack Obama sein, denke ich, als ich nach dem Telefon greife, das mit einem wohltuend gedämpften Trillern läutet.
»Ja?«
»Ist da Darryl Billups, der
Herald
-Reporter?« Wieder diese heiser klingende, merkwürdig androgyne Stimme, nur dass sich diesmal aus dem Baltimore-Akzent der leiseste Anflug von
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