Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
einfach nicht sein. Aber ich schreibe Gedichte.«
»Ich würde Sie gerne irgendwann einmal mit zum
Herald
nehmen. Und ich liebe Gedichte – vielleicht könnten Sie mir mal was zeigen, wenn es nicht zu persönlich ist.«
Das ist eine verdammte Lüge. Ich hab mir nie viel aus Gedichten gemacht. Doch nachdem ich Yolandas Schwachstelle ausgemacht habe, wäre ich dämlich, sie nicht gnadenlos auszunutzen. »Wie kann ich Sie erreichen, falls es eine interessante Dichterlesung gibt?«
Diese Frage ruft Yolandas Zurückhaltung wieder auf den Plan. »Fremden Männern meine Telefonnummer zu geben ist nicht meine Art«, antwortet sie kühl.
»Im Telefonbuch steht nur ein Darryl Billups. B-I-L-L-U-P-S. Meine Adresse steht auch drin. Okay?«
»Es war nett, Sie kennenzulernen, Darryl. Viel Erfolg für Ihre Karriere. Ich gehe jetzt wohl besser.« Sie schenkt mir ein kleines, überraschend warmes Lächeln. Ja!!
»Du bist verrückt nach mir«, murmele ich, während sie davonschwebt. »Ich bin der Obermacker, und das weißt du auch.«
Was Yolanda betrifft, weiß ich zwei Dinge sicher. Erstens führt sie höchstwahrscheinlich gerade keine superernste Beziehung, sonst wäre sie nicht so lange in meinem Zimmer geblieben. Und zweitens muss ich die Frau unbedingt wiedersehen. Keine Ahnung wo, keine Ahnung wann, aber ich muss. Selbst wenn ich dafür noch mal im Krankenhaus vorbeischauen muss.
Lächelnd hebe ich den Plastikdeckel von meinem Essen. Da ich das Frühstück nicht besonders ansprechend finde, nehme ich den
Herald
zur Hand. Es ist unglaublich, aber es gibt eine Fortsetzung von Cornelius Lawrences Verriss über Stadtrat Rivers. Diesmal liegt die Betonung auf Rivers’ Abstimmungsverhalten in der Stadtverordnetenversammlung, und dass er normalerweise zugunsten gemeindenaher Interessengruppen abstimmt statt für Baltimores Wirtschaftselite.
Weiterhin mutmaßt der Bericht, dass Rivers, falls er das Rennen um das Amt des Stadtkämmerers gewinnt, allein durch seine Anwesenheit Unternehmen von Investitionen in Baltimore abschrecken würde, und das zu einer Zeit, in der die Steuereinnahmen sowieso schon schrumpfen.
Unglaublich.
Ich schüttele traurig den Kopf. Cornelius ist so versessen darauf, nach Massahs Pfeife zu tanzen, dass es beängstigend ist.
Der Rest der Zeitung – vom Feuilleton über den Sport bis hin zum Wirtschaftsteil – ist genauso uninspiriert wie die Titelseite. Heute haben die Leser eindeutig keinen Gegenwert für ihre fünfzig Cent bekommen.
Um Viertel vor zehn kreuzt Dr. Norment auf, gefolgt von ihrer Entourage aus jungen Ärzten. Ich freue mich, sie zu sehen, weil sie eine sympathische und positive Ausstrahlung hat. Und weil sie die Macht hat, mich hier rauszuholen.
Heute Morgen ist sie ganz geschäftsmäßig. »Schauen wir uns Sie mal an.« Sie beginnt sofort mit der Untersuchung meiner Augen, wobei ihr Gesicht nur Zentimeter vor meinem ist. Wenn Ärzte in meine Distanzzone eindringen, um in allen möglichen Körperöffnungen rumzustochern, komme ich mir immer vor wie eine Laborratte.
Dr. Norment notiert sich etwas in ihrer Tabelle und steckt ein Otoskop in mein linkes Ohr. Ich spüre ihre Körperwärme und rieche Pfefferminz in ihrem Atem.
»Dr. Stanley, könnten Sie sich das mal kurz anschauen?« Ein junger Arzt nimmt das Otoskop von Dr. Norment entgegen. Jede einzelne seiner Poren scheint Kaffeearoma auszuströmen.
»Ist im äußeren Gehörgang eine Blutung zu sehen, Dr. Stanley?«
Ein Zögern. »Nein, erscheint mir normal.«
»Und was ist mit dem Trommelfell?«
»Sieht ebenfalls normal aus«, antwortet Dr. Stanley schnell.
»Gut, gut.« Behutsam nimmt Dr. Norment ihrem jungen Schützling das Otoskop wieder weg und untersucht damit kurz auch mein rechtes Ohr.
»Sie dürfen nach Hause«, sagt sie. »Es sei denn, Sie wollen wegen des wunderbaren Essens noch hier bleiben.«
Die frischgebackenen Ärzte lachen alle einen Tick zu laut über Dr. Norments Witz. Naserümpfend sehe ich Dr. Norment an und ziehe eine Grimasse. Wir grinsen uns an.
In Windeseile bin ich aus dem Bett, ohne an meine Schmerzen und an das Krankenhaushemd zu denken, das meinen Hintern der Welt entblößt. Davon unbeeindruckt steuert Dr. Norment, gefolgt von ihrer übereifrigen Entourage, zielstrebig auf die Tür zu.
»Danke, Doc«, rufe ich.
»Sehen Sie sich da draußen vor, Clark Kent«, sagt sie noch, als sie aus dem Zimmer geht.
Auf das, was ich in dem kleinen Kleiderschrank vorfinde, bin ich vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher