Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
sonst immer auf die ein oder andere Weise.
Mama behauptet, dass Daddy und ich solche Autonarren sind, weil wir zu Maschinen leichter eine Beziehung herstellen können als zu Menschen. Dass Autos einen niemals so enttäuschen wie Menschen, lässt sich nicht leugnen, sinniere ich, als ich die Tür öffne: aber Maschinen mehr lieben als Menschen? Daddy vielleicht, aber ich ganz bestimmt nicht.
Da mir mein Führerschein geklaut wurde, fahre ich in gemäßigtem Tempo zum Stadtteil Ridgely’s Delight, nicht weit vom Oriole Park in Camden Yards, sodass ich für die zehnminütige Fahrt fünf Minuten länger brauche als sonst.
Als ich vor meiner Wohnung in eine Parklücke manövriere, sehe ich den neugierigen alten Mr. Vaughan, den Nachbarschafts-Wachhund,draußen stehen und die Sonne genießen, die die Regenwolken vom Himmel sengt.
»Wie geht’s, Bursche?«, grinst Mr. Vaughan, in keinster Weise gehemmt, weil er nur noch drei Zähne in seinem verhutzelten Kopf hat. Wenn ihm meine zerfetzte, blutbefleckte Kleidung auffällt, lässt er es sich nicht anmerken. »Ich hab Sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut, Sir«, antworte ich und bücke mich nach einem Supermarkt-Werbeprospekt auf dem Gehsteig.
»Vor zwanzig Minuten kam ein richtig hübsches Mädchen hier vorbei und hat nach Ihnen gefragt«, sagt Mr. Vaughan kokett. Er genießt es, einen pikanten Gesprächs-Leckerbissen zu haben, mit dem er mich ködern kann. »Wirklich ein steiler Zahn. Hatte einen kleinen Jungen bei sich.«
»Bestimmt eine Verwechslung. Wir wissen doch beide, dass sie eigentlich zu Ihnen wollte.«
Entzückt wirft Mr. Vaughan seinen grauhaarigen Kopf in den Nacken und lacht schallend.
»Ich hätte Sie Ihnen ja ausgespannt, Junge, aber ich wollte Ihnen keinen Kummer bereiten«, sagt er und krönt seinen Satz mit einem burlesken Zwinkern.
»Wie sah sie denn aus?«
»Hoch gewachsene, scharfe Braut, mit kurzen braunen Haaren und goldenem Lippenstift. Trug anscheinend eine Krankenschwester-Uniform.«
Nein, keine Chance … das konnte nicht sein!
»Danke, dass Sie ein Auge auf alles haben, Mr. Vaughan. Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Auf so was ein Auge zu haben ist kein Problem. Das Mädchen war eine Augenweide.«
Am liebsten hätte ich vor Freude Purzelbäume geschlagen. Wenn es nicht Yolanda war, muss sie eine Zwillingsschwester haben. Aber woher wusste sie, wo ich wohne? Und wer ist der Junge?
Ich schließe die Tür aus Holz und Glas auf, die zum Eingangsbereich führt, und bleibe an einer Reihe Briefkästen aus mattiertemMessing stehen, die in die Wand eingelassen sind. Vielleicht hat Yolanda mir eine Nachricht hinterlassen?
Leider keine Nachricht, bloß ein paar Rechnungen, ein Brief von einem dieser Gewinnspiele, bei denen nie jemand was gewinnt, und eine Postkarte. Vorne drauf sind zwei Seehunde abgebildet, die sich faul im National Aquarium von Baltimore sonnen.
Hinten drauf sind mit besonders feiner roter Tinte die Worte hingekritzelt:
SIE GLAUBEN MIR IMMER NOCH NICHT,
STIMMT’S?
Die Nachricht ist in großen, kindlichen Druckbuchstaben geschrieben. Laut Poststempel wurde die Postkarte gestern in Baltimore aufgegeben.
Ich stehe im feuchten, sonnendurchfluteten Eingangsbereich, atme tief durch und starre entgeistert auf die Postkarte. Ist mein Leben auch ohne Rätsel und mysteriöse Nachrichten nicht schon kompliziert genug? Ich kann es kaum erwarten, die am Fenster montierte Klimaanlage in meinem Loft einzuschalten, das Telefon auszustöpseln und einfach nur ins Bett zu fallen.
Das Bolzenschloss in der Innentür aus Stahl dreht sich mühelos und gibt den Blick auf eine beeindruckende Eingangshalle frei, die von einer weißen Marmortreppe dominiert wird, die sich wirkungsvoll von einem schwarz-weißen Marmorboden absetzt. Die Treppe endet am zweiten Treppenabsatz vor drei kobaltblauen Türen, jede ein Eingang zu separaten zweigeschossigen Loft-wohnungen. Dankbar, endlich zu Hause zu sein, trete ich durch die linke Tür.
Im Vergleich zu den Rattenlöchern, die Junggesellenbuden in den meisten Fällen sind, ist Chez Billups ein Ausbund an Ordnung und Reinlichkeit. Der Mahagonischreibtisch und das Notebook darauf sind frei von Staub, genau wie der rote, altmodische Coca-Cola-Automat im Wohnzimmer. Der glänzende Parkettboden leuchtet in der Sonne in warmen Gold- und Bernsteintönen, undauch die schwarze Wendeltreppe, die zum Loft hinaufführt, weist keinerlei Schmutz auf.
Wenn man die
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