Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
überzeugt, dass ich ihn bloßstellen will. Merriwether nimmt es sehr übel, wenn Reporter ihm Vorschriften machen wollen. Besonders vor anderen Reportern und Redakteuren. Ganz besonders mitten in der Redaktion. Insbesondere Darryl Billups.
»Verstehe«, sagt er ruhig und kriegt sogar ein gezwungenes Lächeln hin. »Das sollte kein Problem sein. Sie haben doch sicher ein Attest?« Merriwether streckt den Arm aus und legt mir hölzern die Hand auf die Schulter. Die Geste kommt steif und verlogen herüber, was sie auch ist.
Die anderen stehen schweigend um uns herum und warten auf meine Reaktion. Für den Bruchteil einer Sekunde sehen Merriwether und ich uns in die Augen, Mungo und Kobra, die nach einer Kampferöffnung suchen. Es spricht für uns, dass unsere Mienen neutral bleiben. Das Schweigen zieht sich zu lange hin – einige meiner Kollegen starren betreten zu Boden und räuspern sich unbehaglich.
»Was ist los, junger Mann – haben Sie zwölf Runden mit Mike Tyson geboxt?«, brüllt jemand. Es ist der leitende Redakteur Walter Watkins mit einem unangezündeten Stumpen zwischen den tabakbefleckten Zähnen, der so groß ist wie ein Baseballschläger. »Es tat mir echt leid zu hören, was mit Ihnen passiert ist, aber ich bin froh, dass Sie wieder aus dem Krankenhaus raus sind«, sagtWatkins und schlingt seinen kräftigen Arm um meinen Hals, was einen jähen Schmerz durch meinen Rücken jagt.
»Vielen Dank, Mr. Watkins. Sehr nett von Ihnen«, sage ich und grinse Merriwether schwach an.
»Junge, Sie sehen aus wie der Tod«, sagt Watkins unschuldig, und ich zucke bei seiner Wortwahl zusammen. »Fahren Sie nach Hause und nehmen Sie ein heißes Bad. Ich glaube, die Zeitung kriegen wir auch ohne Sie raus.«
»Ja, das sollte kein unüberwindbares Problem darstellen«, sagt Merriwether mit abfälliger, sarkastischer Stimme. Manche Leute bringen herabsetzende Bemerkungen mit solcher Raffinesse und solchem Esprit vor, dass einem erst viel später auffällt, dass man tödlich getroffen ist. Nicht so Tollpatsch Tom Merriwether. Er ist soeben ins Fettnäpfchen getreten, indem er vor Watkins auf mir herumgehackt hat, der ein Faible für Reporter hat, die in Erfüllung ihrer Pflicht verletzt werden.
Das alles entgeht Merriwether natürlich. In seiner verzerrten Wahrnehmung habe ich mit Hilfestellung von Watkins gerade auf seine Kosten Effekthascherei betrieben.
Während wir drei so dastehen, streicht sich Watkins nachdenklich übers Kinn und hängt Tagträumen von seiner Reporter-Zeit nach, während Merriwether mit zusammengebissenen Zähnen eine Grimasse zur Schau stellt, von der er sicher ist, dass sie als Lächeln durchgeht.
Vom anderen Ende der Redaktion fängt Cornelius Lawrence meinen Blick auf. Er hat sich nicht die Mühe gemacht, von seinem Schreibtisch aufzustehen, obwohl sich alle anderen schwarzen
Herald
-Reporter im Hause nach meinem Befinden erkundigt haben.
Seine Miene drückt gelangweilte Gleichgültigkeit aus, könnte aber genauso gut verächtlich sein, wenn er einen oder auch zwei andere Gesichtsmuskeln anspannen würde. Da ich genug gesehen habe, wende ich mich wieder Watkins zu.
Ich lege momentan keinen gesteigerten Wert auf eine Konfrontation. Eine potenziell verheerende Situation hat sich unerwartetin einen Coup in Public Relations verwandelt. Es ist an der Zeit, zu verschwinden, solange die Gelegenheit günstig ist.
»Danke für Ihre Rücksicht, Mr. Watkins«, sage ich in einem Tonfall, der genau die richtige Mischung aus Ehrerbietung und Erleichterung ausdrückt. »Ich bin noch nicht wieder hundertprozentig auf dem Damm, und noch ein Tag Ruhe wird mir guttun.«
»Auf jeden Fall«, antwortet Watkins bedächtig.
Meine neue Berühmtheit amüsiert mich. Aber wonach ich mich sehne, ist die Anerkennung meiner Kollegen für mein journalistisches Können.
Als ich endlich allein in meiner grauen Bürozelle bin, logge ich mich ins Computersystem ein, wofür ich meinen Nachnamen und einen geheimen Zugangscode eingeben muss. Vierzehn Nachrichten erwarten mich.
Ich lese sie schnell und steuere schnurstracks wieder auf die Tür zu.
Draußen erwartet mich mein getreues Stahlross in der hintersten Ecke des Angestelltenparkplatzes; Wassertropfen verleihen ihm ein Kleid aus funkelnden Pailletten. Der Anblick meines schwarzen, im Verbrauch sparsamen Japaners zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich massiere ihn nicht nur zwei Mal im Monat liebevoll mit teurem Pastenwachs, sondern verwöhne ihn auch
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