Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
schon etwas mit Ihrer Familie vorhaben, verstehe ich das natürlich.«
Merriwether wusste sowieso schon, dass Cornelius ja sagen würde, aber er konnte sich wenigstens menschlich und fürsorglich geben, indem er die Familie ansprach.
Cornelius, der sich noch vor Sekunden unbesiegbar gefühlt hatte, war nun völlig am Boden zerstört.
»Hey, machen Sie sich keine Gedanken«, sagte er mit seiner schönsten Teamplayer-Stimme. »Meine Privatnummer steht im Computerverzeichnis.«
»Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie mir aus der Patsche helfen«, sagte Merriwether. »Und wenn Sie morgen wirklich kommen müssen, überlasse ich es Ihnen, ob Sie lieber Überstunden machen oder Zeitausgleich wollen, okay?«
»Kein Problem, Tom. Keine Sorge.«
Cornelius schenkte ihm ein steifes Schönheitswettbewerbs-Lächeln, verließ langsam Merriwethers Büro und lief zurück zu seinem Schreibtisch.
Sei geduldig, dann wird am Ende alles gut.
Und ruf Stephanie am besten gleich an, damit sie nicht immer noch sauer ist, wenn du heute Abend die Party versäumen musst, auf die sie sich so gefreut hat.
KAPITEL NEUN
Sautierte Garnelen futternd und Champagner schlürfend, stehe ich wie gebannt da und staune über das Bohei, das die schwarze Bourgeoisie Baltimores veranstaltet.
Wunderbares absurdes Theater bietet sich mir, aufgeführt in temporeichen Einaktern. Jeder, der an mir vorbeischlendert, rückt unversehens ins Rampenlicht. Je ausgeprägter die Aufgeblasenheit und Affektiertheit des Schauspielers, umso größer sein oder ihr Unterhaltungswert. Je nachdem, welche Rolle gerade gespielt wird, bin ich zwischen dem Bedürfnis hin und her gerissen, zu weinen oder zu lachen, bis mir der Bauch wehtut.
Diesen befreiend komischen Abend verdanke ich meiner Schwester Camille, der Hohepriesterin der schwarzen Aufsteiger-Yuppies. Das ist ihre kleine Soiree, die sie aus keinem anderen Grund gibt als zu feiern, dass sie jung, begabt, schwarz – und reich ist.
Diese Soiree kommt mir als Vorwand gelegen, mich nicht in meinem Loft aufhalten zu müssen.
Camille, die ihr Jurastudium in Harvard absolviert hat, praktiziert Körperschaftsrecht bei Broadnax, Preston & Coulter, einer führenden weißen Anwaltskanzlei, die für die beste von ganz Baltimore gehalten wird.
Camille reißt sich bei Broadnax, Preston & Coulter den Arsch auf, schuftet zwölf bis vierzehn Stunden am Tag und meist auch samstags. Sie vertritt die meisten bedeutenden schwarzen Unternehmen hier in der Region. Aufgrund ihrer juristischen Kenntnisse und ihres Talents, Aufträge hereinzuholen, wurde sie in nur vier Jahren zur Teilhaberin befördert.
Obwohl ich stolz auf meine kleine Schwester bin, bringt ihr Erfolg einen Charakterzug von mir zum Vorschein, den ich mir nur ungern eingestehe – eine Kleinlichkeit, die nicht über Geschwisterrivalität erhaben ist. Es ärgert mich maßlos, dass der krausköpfige Gnom, den ich früher vermöbelt habe, jetzt über einhundertvierzig Riesen im Jahr verdient – mehr als das Doppelte meines Gehalts beim
Herald
. Und dass Camille mich zuweilen auf subtile und nicht so subtile Art darauf hinweist, macht es auch nicht besser.
Ich glaube nicht, dass sie das aus Bosheit tut. Camille ist einfach so. Sie braucht ständig Konkurrenzkampf, so wie andere Menschen Sauerstoff. Das ist vermutlich auch der Grund, warum sie mit neunundzwanzig keinen festen Freund hat und sich keine Heirat am Horizont abzeichnet, obwohl sie eine attraktive Frau ist. Aber ich bewundere auch, dass sie wegen ihres Single-Daseins nie mit den Zähnen knirscht oder über tickende biologische Uhren jammert.
Camille ist mit ihrer Arbeit verheiratet, und bis sich etwas Besseres ergibt, findet sie diese Verbindung befriedigend. Mit Ausnahme von Broadnax, Preston & Coulter muss sie nur Camille gegenüber Rechenschaft ablegen. Wenn sie also der dringende Wunsch übermannt, für eine Woche nach Brasilien zu entfliehen, in den Senegal, nach Martinique oder auf die Bermudas, holt sie einfach ihre Kreditkarte heraus und erfüllt ihn sich. Ohne große Erklärungen oder gar Rücksicht auf das fragile Ego ihres sich bedroht fühlenden Bruders.
Zudem ärgert es mich, dass Camille wahrscheinlich glaubt, dass mich ihre Soiree überfordert. Ich weiß, dass sie mich nur eingeladen hat, weil sie Gewissensbisse plagen, dass sie mich nicht im Krankenhaus besucht hat. Das hat mich gekränkt, auch wennich es heruntergespielt habe. Ein Firmenzusammenschluss war ihr wichtiger.
»Wie
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