Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
von Riesenratten überrannt, denen sich nur lebensmüde Katzen auf PCP entgegengestellt hätten.
Hätte jemand gewusst, dass sie hinter den Bombenanschlägen auf die Müllabfuhr steckten, wären Dillard und Simmes bei Sichtkontakt erschossen, ihre Leichen durch die Straßen gezerrt und auf dem City Hall Plaza verbrannt worden. Ihre Taten und ihre Beweggründe wurden in Leitartikeln, Fernsehsendungen und an Trinkwasserspendern im ganzen Staat scharf verurteilt.
Wie ein nach Aufmerksamkeit hungerndes Kind, das sich mit Schlägen zufriedengibt, wenn Streicheleinheiten nicht zu bekommen sind, schwelgte Dillard in der traurigen Berühmtheit, die er erlangt hatte. Simmes hingegen schien es gleichgültig zu sein, ob die Reaktionen auf die Anschläge positiv oder negativ ausfielen. Dillard bewunderte es, wie gelassen Simmes blieb, völlig unbeeindruckt von den Folgen seiner Taten.
Aber für Dillard war es nur allzu offensichtlich, dass die Mülltonnen-Anschläge nach hinten losgegangen waren. Die gesamte Stadt verabscheute ihn und alles, wofür er stand. Zudem stellten Mülltonnen nicht sein Endziel dar.
Doch in Anbetracht der Tatsache, dass es Dillard endlich gelungen war, von zwei Baustellen mehrere Kisten Dynamit zu stehlen, würde es nicht mehr lange dauern, bis das NAACP-Gebäude in eine Ruine verwandelt würde.
KAPITEL ZWANZIG
Der melodische, wohltuende Klang afrikanischer Trommeln pulsiert rhythmisch in meinem Kopf und dockt an einen Bereich im Gehirn an, den manche Afroamerikaner nur widerwillig zur Kenntnis nehmen und dessen Existenz einzugestehen ihnen sogar noch peinlicher ist. Genauer gesagt, die Region in der linken Gehirnhälfte, die nach all den Jahrhunderten immer noch mit dem Mutterland verbunden ist, die Zone, die die Schultern zum Wiegen, die Füße zum Tänzeln und die breiten Lippen zum Lächeln bringt.
Eine fröhliche Menschenmenge aus etwa fünfhundert Brüdern und Schwestern, die sich um eine Freilichtbühne drängt, sieht zu, wie eine afrikanische Tanzgruppe ihr Können zeigt und exotische und seltsam vertraute Musikstücke aufführt. Jamal lacht und schüttelt seine kleinen Hüften synchron mit Yolanda, die in jenem Moment glücklicher ist, als ich sie je gesehen habe.
Wenn ich jetzt daran denke, dass ich gar nicht zum AFRAM hatte gehen wollen, dem afroamerikanischen Festival mit Kunsthandwerk und typischen Speisen, das alljährlich im Zentrum von Baltimore abgehalten wird. Um genauer zu sein, ich hatte schon hingehen wollen, aber nicht mit Yolanda samt Anhang. Dort laufen Schönheiten in Scharen herum – und Yolanda und Jamal dortanzuschleppen würde bloß meine Chancen verringern. So jedenfalls dachte ich anfangs.
»Kommen Sie, Darryl, das wird lustig«, hatte Yolanda mich süß gedrängt. Sie musste es sogar zweimal vorschlagen, bis ich zögernd einwilligte. Und das auch erst, als sie mich in einer schwachen Minute erwischte, nach einem Vierzehn-Stunden-Tag, an dem ich darüber geschrieben hatte, wie Bürgermeister Clifford Shaw den Müllwerkerstreik beigelegt hatte, indem er die Nationalgarde und die Polizei von Baltimore sowie die vier angrenzender Bezirke beauftragt hatte, jede einzelne der zigtausenden von Mülltonnen in den Straßen und Gassen der Stadt zu kontrollieren.
Deshalb war ich gestern Abend so müde, dass ich nicht mehr weiß, was ich geantwortet habe, auch wenn Yolanda behauptet, ich hätte fest zugesagt.
Jetzt sind wir also hier. Ich hätte mich lieber von einem schiefzahnigen Maultier beißen lassen, als am heutigen Sonntagvormittag Jamal und Yolanda in meinen Wagen zu laden und sie zum AFRAM-Festival zu karren. Aber es ist seltsam, dass Sachen und Veranstaltungen, vor denen man den absoluten Horror hat, sich oft als die amüsantesten erweisen. Ein Besuch mit Yolanda und Jamal beim AFRAM-Festival gehört auf diese Liste.
Als die beiden nach einer Nummer fertig getänzelt und geklatscht haben, nimmt Yolanda ihren Jungen hoch und schwingt ihn spielerisch zweimal herum. Jamal kichert zufrieden, und mehrere Frauen – und Männer – in der Menschenmenge lächeln ihnen beifällig zu. Diese Mutter-Sohn-Combo hat etwas Magisches.
»Wollen Sie mal probieren?«, fragt Yolanda plötzlich und deutet auf einen Stand knapp hundert Meter entfernt, wo Verkäufer emsig Jerk Chicken verkaufen, in Gewürzen mariniertes und über einem Holzfeuer gegrilltes Hühnchen.
»Warum nicht.«
Als wir auf den Stand zugehen, an dem etwa fünfzehn Kunden Schlange stehen, stürzt sich
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