Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
fragte Dillard Simmes, der sich in seinem einzigen Anzug geworfen hatte, ein schlecht sitzendes, hellblaues Teil mit einem Webmuster aus Knitterfalten.
Simmes zuckte mit den Achseln. »Weiß ich’s?«
Keiner von beiden wäre darauf gekommen, dass Phil Gardner Kriminalbeamter bei der Mordkommission war, genauso wenig wie sie vermutet hätten, dass zwei weitere Polizeibeamte aus einem Lieferwagen ganz in der Nähe diskret Fotos von den Trauergästen machten. Zu behaupten, dass die Cops sich danach sehnten, Dillard und Simmes endlich festzunehmen, und dass dieses Bedürfnis mit jedem Tag exponentiell anstieg, wäre noch untertrieben.
»Bilde ich mir das nur ein, oder starrt der Nigger zu uns rüber?«, murmelte Dillard. »Muss einer von den Negern sein, mit denen Harry bei der Müllabfuhr war.«
»Vielleicht müssen wir der Müllabfuhr noch ein Geschenk schicken«, flüsterte Simmes grinsend.
In Wahrheit beobachtete Gardner im Schutze seiner Foster-Grants-Sonnenbrille gar nicht die verbliebenen Mitglieder der
Bruderschaft
, sondern verfolgte mit Interesse, dass Boyles’ Witwe und ihre zwei Kinder Dillard und Simmes immer wieder unheilverheißende Blicke zuwarfen. Doris Boyles’ Intuition sagte ihr, dass der Tod ihres Mannes irgendwie mit den Männern zusammenhing. Sie hatte Dillard von Anfang an nicht gemocht. Außerdem war sie wütend, dass weder Dillard noch Simmes genug gesunden Menschenverstand oder Anstand hatten, ihr zu kondolieren.
Ein Gewirr aus unausgesprochenen Fragen wirbelt um den Tod eines jeden Selbstmordopfers, doch den von Harry Boyles umgaben noch mehr als die üblichen. Dillard zum Beispiel argwöhnte, dass Boyles in Wahrheit einem jüdischen Auftragsmord zum Opfer gefallen war, mit dem der Mord an Blumberg gerächt werden sollte.
Er glaubte keine Sekunde, dass Boyles so schwachsinnig gewesen war, sich umzubringen, und schon gar nicht, wo noch so viele wichtige Aufgaben vor ihnen lagen. Harry war guten Mutes gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als er die Bombe gelegt hatte, die die Werkstatt der Müllabfuhr dem Erdboden gleichgemacht hatte. Wenn Harry noch da wäre, wäre er sogar stolz darauf, was er erreicht hatte, grübelte Dillard.
Die unsensible Art, mit der Doris Boyles ihm die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht hatte, würde er ihr nie verzeihen. »In was für hirnrissige Scheiße Sie Harry auch reingezogen haben, er hat sich gestern Abend deshalb umgebracht«, hatte sie ins Telefon geschrien. »Ich hoffe, Sie sind jetzt glücklich, Sie nichtsnutziger Scheißkerl.«
Dass er für Doris Boyles ein tröstendes Wort übrig hätte, war genauso wahrscheinlich, als würde er sich neben Harrys zinnfarbenen Sarg stellen und eine bewegende Grabrede auf Latein halten.
Vor den Friedhofstoren standen die »Schakale von der jüdisch dominierten Presse«, wie Dillard sie nannte, und hofften, ein Interview oder ein Foto zu ergattern. Dillard war einer ihrer schwarzen Lakaien in einem elfenbeinfarbenen Kompaktwagen aufgefallen, den auf beiden Seiten die Aufschrift DER
BALTIMORE HERALD
– BRINGT DIE WAHRHEIT ANS LICHT zierte.
Aufgrund ihrer Entfernung zu den Geschehnissen entging der Medienmeute der Showdown zwischen Dillard und Mrs. Boyles am Grab. Während Dillard sich mit Simmes unterhielt, sah Dillard einen erschrockenen Ausdruck über Simmes’ Gesicht huschen. Als Dillard sich umdrehte, stand Doris Boyles vor ihm und schüttelte ihren feisten Finger vor seinem Gesicht, während ihre Familie, darunter auch ein Sohn im Teenageralter, sie nur mit Mühe zurückhielten.
»Sie Dreckstück«, schluchzte sie und ihre Augen rollten in ihren Kopf zurück. »Das ist alles Ihre Schuld, Sie mieser Dreckskerl. Hauen Sie
sofort
ab, bevor ich Sie auch noch umbringe.« Damit fiel sie auf die Knie und flehte Gott an, auch sie zu sich zu holen, damit sie bei ihrem »wunderbaren Harry« sein konnte.
Phil Gardner sah teilnahmslos zu.
»Sie gehen jetzt wohl besser«, sagte ein junger, kräftig gebauter Mann bestimmt und legte seine große Hand auf Dillards Schulter. Der klobige Schulring am Finger des Mannes enthielt einen Stein, der aussah wie ein geschliffener blauer Findling.
Dillard, der zwar keine Angst vor dem muskulösen Hengst hatte, aber keinen Aufstand provozieren oder auf sonst irgendeine Art das Gedenken an seinen Freund entehren wollte, fügte sich ohne Protest. »Komm mit, Bob – gehen wir«, murmelte er angewidert.
»Was sollte das denn gerade?«, fragte Simmes, als er und sein Partner
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