Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
an Gedenktafeln und Grabsteinen vorbeispazierten, die den lieben Verstorbenen gewidmet waren. Auf dem fein säuberlich gepflegten Rasen lagen Buketts aus ausgedörrten Blumen.
»Harry ist eindeutig an einem besseren Ort«, schnaubte Dillard, als sie zu seinem Camaro stapften. »Er ist endlich den Klauen des bösen Shamu entkommen. Ich konnte die fette Schlampe noch nie leiden, und wie sie ständig an ihm rumgenörgelt hat, schon gar nicht.«
Simmes, der den Arm noch immer in einer Schlinge trug, um sein gebrochenes Schlüsselbein zu entlasten, nickte. Normalsterbliche wären bestürzt darüber gewesen, von der trauernden Witwe eines Freundes von dessen Beerdigung verbannt zu werden. Dochfür Dillard und Simmes wurde das Unübliche langsam alltäglich. Sie sahen sich als Butch Cassidy und Sundance Kid von heute. Im Kampf für ein hehres Ziel. Ein Ziel, für das Dillard mehr und mehr zu sterben bereit war.
Boyles’ Tod festigte das Band zwischen den verbliebenen Partnern noch ein wenig mehr.
Als sie in den Camaro stiegen, ließ Dillard den Motor an und drehte seinen liebsten Softrock-Sender lauter. Damit wollte er die Abhörpläne der Polizei vereiteln, die seiner festen Überzeugung nach in seinem Chevrolet Wanzen installiert hatte.
»Erinnerst du dich an die kleine Überraschung, die wir zugestellt haben?«, fragte er und benutzte das Codewort für die Müllabfuhr-Rohrbombe.
»Klar.«
»Könntest du es hinkriegen, dass sie explodiert, sobald sie jemand bewegt?«
Simmes grinste. Er hatte erst am Tag zuvor mit der Post zwei lang erwartete Bücher bekommen. Das erste,
Revolutionäre Kriegswissenschaft
, war von dem deutschen Anarchisten Johann Most geschrieben. Neben solch erhellenden Dingen, wie man in Heimarbeit Dynamit herstellen konnte, behandelte das Buch auch den Gebrauch von Knallquecksilber und die Herstellung von Nitroglycerin, Schießbaumwolle und Nitrogelatine.
Die andere Neuergänzung zu Simmes’ bevorzugter Leseliste,
Das Sprengungs-Ausbildungshandbuch der Spezialeinsatzkräfte
, enthielt eine Einführung in moderne Sprengmethoden, inklusive Sprengtechniken zur Aufstandsbekämpfung, sowie einen Leitfaden zu Brandlegung und Brandstiftung.
In Kombination mit der Sprengstoff-Erfahrung, die er beim Militär gesammelt hatte, war Simmes zuversichtlich, dass er in der Lage wäre, jede Sprengstoff-Bestellung erfüllen zu können, die Dillard vorschwebte.
»Sollte kein Problem sein. Was hast du vor?«
»Tja, ich hab viel über Harry nachgedacht«, schrie Dillard, um das Radio zu übertönen, womit er seine Sicherheitsmaßnahmeüberflüssig machte. »Was seine Vorgesetzten mit ihm gemacht haben, war nicht richtig. Ich finde, wir müssen ihnen noch eine Lektion erteilen.«
»Du glaubst, der Brandbombenanschlag auf Harrys Dienstgebäude und dass sein Arbeitskollege gegrillt wurde, war noch nicht Lektion genug? Was planst du als Nächstes, sie mit Atomwaffen angreifen?« Simmes lachte. Dillard gefiel die flapsige, respekt-lose Frage nicht. Aber Simmes war der einzige Verbleibende aus dem Team, ganz abgesehen davon, dass er der Kampfmittelexperte war.
»Mir schwebt da was vor, das diese Vorzugsbehandlungs-Arschkriecher auf Trab halten sollte.«
Ob Simmes eine Mülltonne mit einer Rohrbombe präparieren und sie so manipulieren könne, dass sie beim Hochnehmen explodiere?, wollte Dillard wissen.
»Machst du Witze? Das is’n Klacks. Ich frage mich nur warum?«
»Ich will, dass jeder aus dem östlichen Müllabfuhr-Distrikt, der eine Mülltonne in die Hand nimmt, an Harry Boyles denkt. Deshalb. Wie schnell kannst du so was zusammenschustern?«
Simmes, dem Dillards Abneigung gegen Klimaanlagen wieder einfiel, wand sich aus seiner Anzugjacke. Er zerrte sich die Krawatte vom Hals und warf sie lässig auf den Rücksitz. Als er die in der Ferne verschwindenden weißen Obeliske und Grabsteine des Friedhofs sah, auf dem sein Freund gleich beigesetzt würde, überkam Simmes eine Welle aus kalter Wut.
»Wenn ich heute Abend anfange, höchstens zwei Tage. Und ich könnte sie wirkungsvoller machen als die, die das Müllabfuhrgebäude in die Luft gesprengt hat.«
»Verstanden. Bringen wir die Sache ins Rollen. Was meinst du?«
Simmes strich sich nachdenklich übers Kinn und rutschte auf seinem Sitz herum, um sich im Strom der heißen, feuchten Luft, die durchs Fenster wehte, günstiger zu positionieren. Obwohl er nicht größenwahnsinnig war wie Dillard, wusste Simmes, dass er nicht nur auf der Welt war, um ein
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