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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sich befand. „Und dann?“
    „Dann? Ich lief ganz benommen durch irgendwelche Straßen, ich hatte Angst, nach Hause zu gehen, ich sah überall Polizei, hörte überall die Polizeisirenen und die jagenden Autos, ich ging und ging — und dann kam ich auf die bewußte Straße, ich wollte einfach stadtauswärts. Ich weiß nicht, was ich wollte, aber plötzlich dachte ich, ich würde irgendein Auto aufhalten und irgendwohin mitfahren, es war mir alles egal, ich hätte jedem Mann jeden Wunsch erfüllt, wenn er mich nur irgendwohin mitgenommen hätte.“ Zum erstenmal schaute sie auf und blickte ihm gerade in die Augen. „Können Sie das verstehen? Ich hätte alles getan, nur um für diese Nacht ein Dach überm Kopf zu haben, die Stimme eines Menschen zu hören, nicht mehr frieren zu müssen.“
    Der Richter nickte.
    „Das kann ich verstehen. Aber... es wäre doch Ihre Pflicht gewesen, sich sofort bei der Polizei zu melden.“ Er hatte das kaum gesagt, als er es schon bereute. Dieser Vorschlag klang zu simpel, fast abgedroschen und völlig irreal. Er sah auch das leise Zucken um ihre Mundwinkel.
    „Ich weiß“, sagte sie, „daß ich das hätte tun sollen. Aber erstens einmal ist mir ein Verhör bei der Polizei schrecklich, und zweitens: Sie, Herr Doktor, können mich nun prüfen und ausfragen, soviel Sie wollen, Sie werden mir vielleicht glauben. Aber hätte mir die Polizei geglaubt? Die hätten doch ganz einfach gesagt, ich sei ein Flittchen, die Geliebte von Freddy, und es sei doch wohl klar, daß ich alles ableugne. Und dann? Dann hätten sie mich in Untersuchungshaft gesperrt. Das verstehen Sie doch?“
    Er nickte nur, ohne auf die direkte Frage zu antworten, dann sagte er:
    „Sie sahen meinen Wagen kommen, wollten ursprünglich winken, dann sahen Sie meinen Wagen schleudern und spielten mir den Unfall vor?“
    Sie senkte beschämt die Augen.
    „Ja“, sagte sie leise. „Ja, so war es. Ich war doch so durcheinander, und da war mir jedes Mittel recht. Als Sie mich mitnahmen, dachte ich, Sie hätte mir der Himmel geschickt.“ Sie schaute ihn wieder an. In ihren Augen lag Demut und Gläubigkeit. „Ich... ich glaube das jetzt noch. Wenn mir überhaupt jemand helfen kann, dann sind S ie das, ich bin ganz in Ihrer Hand. Tun Sie mit mir, was Sie für richtig halten, und wenn es sein muß, bin ich auch damit einverstanden, daß Sie die Polizei anrufen.“ Wobei sie dachte, sie würde dann immer noch Zeit und Gelegenheit finden, davonzulaufen.
    Der Richter zündete sich eine Zigarette an.
    „Das ist für mich eine harte Nuß“, sagte er nachdenklich und schaute hinaus auf die verschneiten Bäume.
    Jawohl, dachte sie, und ich weiß auch, daß du nicht so dumm bist, dir daran die Zähne auszubeißen. Wenn ich vor den Richter komme, werde ich natürlich erzählen, daß du mich angefahren hast — und das willst du doch nicht, oder?
    Ihre Blicke kreuzten sich, der Richter stand auf.
    „Ich hoffe“, sagte er, „Sie halten mich nicht für einen Trottel. Wenn ich Sie der Polizei nicht ausliefere, dann nur, weil mir die Umstände unserer Bekanntschaft peinlich sind. Aber ich hoffe zugleich, daß Sie auch nicht dumm sind und nun versuchen, mich zu erpressen.“
    „Ich werde...“
    „Sie werden einige Zeit hierbleiben, ich muß Zeit gewinnen und erst einmal sehen, wie der Hase überhaupt läuft. Zu meiner Familie kein Wort, verstanden?“
    „Selbstverständlich, Herr Doktor. Ich bin Ihnen ja so unendlich dankbar und...“
    Er schaute sie hart und kalt an.
    „Lassen Sie das, Fräulein Wagener.“ Er ging an ihr vorbei zur Tür. „Ich werde alles überdenken und Ihnen heute abend endgültig Bescheid sagen.“
    Gaby stand auf, blieb dicht vor ihm stehen und sagte:
    „Ich habe nur einen Wunsch, Herr Doktor: ich möchte Ihnen gern beweisen, daß ich nicht so bin, wie Sie im Augenblick glauben.“
    Das klang so rührend ehrlich und beinahe kindlich, daß der Richter wieder unsicher wurde.
    „Ich würde mich darüber freuen“, sagte er. „Aber eins möchte ich Ihnen auch noch gleich sagen: lassen Sie die Finger von meinem Sohn! Er ist jung und verliebt sich rasch. Sie sehen gut aus und ein Unschuldslämmchen sind Sie auch nicht. Ich wünsche nicht, daß Sie meinem Sohn auch nur die geringste Gelegenheit geben — haben wir uns verstanden?“
    Sie stand so dicht vor ihm, daß er fast ihren Atem spürte.
    „Ihr Sohn, Herr Doktor, ist ein lieber Junge. Aber ich mache mir nichts aus Jungen. Wenn ich mich in einen Mann

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