Der Teufel mit den blonden Haaren
Polizist, den Freddy angeschossen hat, ist tot.“
„Ja, das hab’ ich über Radio schon gehört. Wo steckt Freddy? Was ist mit meiner Handtasche und meinem Mantel?“
Sie konnte nicht ahnen, daß Otto in diesem Augenblick die Sprechmuschel zuhielt und Freddy zuflüsterte: „Sie ist es — was soll ich ihr sagen?“
„Nichts“, gab Freddy zurück, „du weißt von gar nichts!“
Und Gaby hörte Otto laut sagen:
„Ich hab seit heute nacht von Freddy nichts mehr gehört.“
„Aber er weiß doch, wo ich bin, du hast es ihm doch gesagt?“
„Klar hab ich das, er sagte, er wolle dir die Handtasche selbst bringen.“
„Um Gottes willen, hoffentlich tut er das nicht! Aber — verdammt noch mal, du hättest den Mund halten sollen, er war hier draußen, ich weiß nicht, was er wollte, aber jemand hat ihn ums Haus schleichen sehen. Wie komme ich nur zu meinen Papieren? Solange er die hat, hat er mich auch, und ich will nicht mehr, hörst du, das kannst du ihm ausrichten: ich mag nicht mehr, ich habe jetzt was anderes vor, und wenn Freddy mir das verpatzt, dann…“
„Dann?“ fragte die brummige Stimme.
„Dann lasse ich ihn wegen der anderen Sachen auch hochgehen, das kannst du ihm ausrichten.“
Sie hängte ein, und während sie die Werkstätte verließ, sagte der untersetzte Otto zu Freddy:
„Nimm dich vor der in acht, die will aussteigen, ich glaube es wäre besser, wenn wir ihr die Handtasche und ihre Papiere...“
Freddy schnitt den Satz mit einer kurzen Handbewegung ab.
„Kommt nicht in Frage, ich habe mich heute im Adreßbuch umgesehen, diese Puppe sitzt genau im richtigen Nest, der Kerl ist Landgerichtsdirektor, und wenn er Mucken hat, nehmen wir ihn in die Zange. Hätte gar nicht besser gehen können.“
*
Frau Antonie Hiller, die Schwester des Richters, hörte es absolut nicht gern, wenn man sie als ältere Dame bezeichnete, obwohl sie selbst mit diesem Ausdruck kokettierte. Tatsächlich war sie für ihre sechzig Jahre überaus rüstig, und ihr ganzer Kummer bestand darin, daß sich niemand fand, der Lust hatte, mit ihr täglich ein paar Stunden spazierenzugehen.
Sie kam von der Isar herauf, marschierte durch Ascholding und entdeckte vor der Werkstätte ihre Nichte Sabine. Das heißt, beim zweiten Blick erkannte sie, daß es nicht Sabine, sondern dieses junge Mädchen war, das im Gästezimmer wohnte und dessentwegen offenbar junge Männer nachts ums Haus schlichen. Tante Antonies helle Augen wurden wachsam, ihre spitze Nase noch spitzer, als sie hinter einem Haufen Scheitholz stehenblieb und auf den Vorhof spähte.
Da unterhielt sich dieses Mädchen und — ja, das war ja der Bursche in der Pelzjacke, den sie heute nacht im Schnee ums Haus hatte stapfen sehen! So was — diese jungen Mädchen von heute, da fahren sie Autos und reiten, und dann treiben sie es heimlich mit Automechanikern!
Sie beschloß, das ihrem Bruder zu sagen, damit Harald auf Sabine einwirken konnte. Vorerst aber beobachtete sie weiter und sah, wie der junge Mann lachend ein geparktes Auto startete, die Tür für das Mädchen öffnete, und mit ihr davonfuhr.
Tante Antonie machte sich weiter auf den Heimweg, und je länger sie marschierte, desto sicherer war sie, daß sie ihrem Bruder Harald doch nichts davon sagen würde. Sabine mußte schließlich selbst wissen, welche Freundinnen sie um sich haben wollte.
*
Als Gaby vor dem Gartentor des Hauses Sonneck ankam, sie hatte sich kurz vorher absetzen lassen, sah sie Toni mit einer mächtigen Schneeschaufel hantieren. Er hatte schon den ganzen Weg vom Haus bis hierher freigeschaufelt.
„Die Freuden des Landlebens!“ rief er Gaby zu. „Wo haben Sie denn so lange gesteckt? Ich dachte schon an eine Rettungsaktion. Man kann sich in unseren Wäldern glatt verlaufen, wenn man sie nicht kennt.“
„Ich hab mich auch verlaufen“, sagte Gaby und log munter drauflos: „Ich bin einfach so quer durch den Wald gegangen, auf einmal ging es ganz steil bergauf“ — sie erinnerte sich, einen steilen Hang gesehen zu haben — „und dann stapfte ich immer weiter, und plötzlich wußte ich keine Richtung mehr. Irgendwo bin ich dann auf eine Straße gekommen, und schließlich hat mich ein mitleidiger Autofahrer mitgenommen.“
Toni stützte sich auf die Schaufel.
„Wir haben vorhin Kaffee getrunken, und Paps hat gesagt, er hätte mit Ihnen gesprochen, Sie würden ein paar Tage Urlaub bei uns verbringen. Das finde ich großartig.“
Sie schloß die Augen halb und
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