Der Teufel mit den blonden Haaren
überhaupt dazu? Hat sie denn keinen eigenen Mantel?“
„Im Augenblick nicht“, sagte Toni. „Ich glaube, sie hat ziemlich was mitgemacht. Aber ist ja egal, die Hauptsache: sie ist ein feiner Kerl, und das wirst du auch finden.“
„Und ihr habt ihr unser Gästezimmer gegeben?“
„Klar. Soll sie etwa in der Küche wohnen?“
Sabines Wangen röteten sich.
„Kommt ja gar nicht in Frage. Das Gästezimmer brauche ich. Walther kommt heute abend ‘raus und bleibt bis Montag.“
Toni grinste unverschämt.
„Irrtum, Schwesterchen. Im Gästezimmer wohnt eine Dame. Und wenn dein Walther hier übernachten will, kann er auf meiner Couch schlafen. Dann werde ich dir auch gleich berichten, ob er schnarcht, das ist für eine künftige Ehe...“
Sabine hatte sich wortlos umgedreht und kehrte ins Haus zurück.
Sie klopfte an die Tür des Gästezimmers.
„Herein!“ hörte sie das fremde Mädchen sagen und trat ein.
Einen Augenblick standen sich die beiden wortlos und überrascht gegenüber. Gaby hatte sich als erste gefaßt.
„Du?“ sagte sie. Und dann fing sie an, laut zu lachen. „Nein, wie komisch! Ausgerechnet die Sabine Mercker! Himmel, auf den Gedanken wäre ich nie im Leben gekommen.“ Sie wurde wieder ernst und musterte Sabine mit harten, bösen Augen. „Natürlich, irgendwie kam mir der Name Mercker doch gleich so vertraut vor, aber wer hätte gedacht, daß ich dich hier wieder treffen würde.“ Sie streckte ihr übertrieben freundlich die Hand entgegen. „Komm, Sabine, das Schicksal hat gesprochen. Du wirst mich jetzt wohl oder übel akzeptieren müssen.“
Sabine war blaß geworden, sie beachtete Gabys Hand nicht. Fast heiser vor Zorn sagte sie:
„Du wirst sofort unser Haus verlassen. Auf der Stelle.“
Gaby setzte sich auf die Bettcouch, streifte die Schuhe ab und zog die Beine an. Lächelnd sagte sie:
„Kommt nicht in Frage, Sabine. Ich bin nicht mehr...“
Sabine kam zwei Schritte näher, es sah aus, als wolle sie sich auf Gaby stürzen.
„Du! Die Gaby! Du bist noch die gleiche wie damals. In der Pause hast du dich wochenlang ins Klassenzimmer geschlichen und uns Geld gestohlen. Bis du erwischt worden und von der Schule geflogen bist.“
„Richtig“, nickte Gaby. „Genauso war es, und deshalb konnte ich nicht einmal mehr die Untersekunda fertig machen. Meine Mutter hat sich den Buckel krumm geputzt und geschrubbt, für andere Leute, daß sie mich auf diese feine Schule schicken konnte, und als eine von euch zu klauen anfing, da habt ihr mir die Schuld in die Schuhe geschoben. Ging ja leicht, nicht wahr? Die Tochter einer Putzfrau! Ein lediges Kind! Wer sonst als die klaut denn schon, nicht wahr?“ Sie zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarette an, das Päckchen hatte ihr der junge Monteur auf der Heimfahrt gegeben und vergessen, es zurückzuverlangen. „Ich war im Klassenzimmer, damals, aber ich wollte die Mathematik abschreiben. Da seid ihr hereingestürmt und habt gebrüllt: die Urban ist es! Die Urban ist die Diebin! Aus war’s mit mir, ich konnte hoch und heilig schwören, daß ich kein Geld genommen hatte. Die Urban ist ein lediges Kind und ihre Mutter ist Putzfrau, das genügte euch.“
Sie schnippte die Asche achtlos auf den Boden und scheinbar ruhig fuhr sie fort: „Das Leben ist gerecht, Sabine. Damals war ich in der Klemme, unschuldig, verstehst du, und diesmal ist es dein Vater.“
Sabine stand noch immer vor dem Mädchen, ihre Hände waren zu Fäusten geballt.
„Laß meinen Vater aus deinem dreckigen Spiel, Gaby! Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber eins weiß ich: du verläßt sofort unser Haus.“
Gaby lächelte.
„Frag doch mal deinen Vater, ob ihm das recht ist. Ich fürchte, er wird da ganz anderer Meinung sein als du. Aber nun sei einmal nicht kindisch, wir können doch auch wie zwei vernünftige Menschen miteinander reden. Ich habe damals wirklich nicht gestohlen. Aber mein Glaube an die feine Gesellschaft war erschüttert. Ich hatte einen schrecklichen Krach mit meiner Mutter, weil diese dumme Person auch der Ansicht war, daß ich lüge und die Kinder feiner Leute immer die Wahrheit sagen, und als mir ihr Gejammer zu sehr auf die Nerven ging, bin ich durchgebrannt. In Hamburg habe ich mit gefälschten Papieren geheiratet, weil ich einen anderen Namen haben wollte, und ein Jahr später war ich wieder geschieden. Es kam dann dies und jenes, schließlich bin ich in München gelandet, und gestern abend, als dein Vater ziemlich besoffen
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