Der Teufel mit den blonden Haaren
sagte er und wünschte seiner Verlobten eine gute Nacht.
Er hängte ein und gab dem Wachtmeister seufzend einen Wink.
„Den nächsten, bitte. Wer ist das?“
„Ein Mann, Herr Scheurich. Er behauptet, er habe in der Nähe des Tatorts ein auffälliges Mädchen gesehen.“
Der Kriminalassistent seufzte wieder.
„Was die alles gesehen haben wollen! Ich habe bis jetzt acht haargenaue Beschreibungen von dem Täter: er hat rotes Haar, er hat eine schwarze Beatlefrisur, er hat eine Stirnglatze. Er ist etwa achtzehn Jahre, er ist mindestens vierzig, er trug eine Lederjacke mit weißem Steppmuster, er trug einen dunklen Trenchcoat, er hatte überhaupt nur einen dunklen Rollkragenpullover. Wenn jemand den Kerl wirklich gesehen hat, dann kann es eigentlich nur Hauptwachtmeister Beringer gewesen sein, und der ist tot. — Schicken Sie den Mann herein.“
Der Wachtmeister verschwand, kam aber sofort zurück, sein Gesicht verriet eine Sensation.
„Herr Scheurich, draußen ist ein Mädchen, ein ganz fesches Mädchen. Sie behauptet, sie sei die Freundin des Täters gewesen und kenne seinen derzeitigen Aufenthalt. Soll ich sie…“
„Herein mit ihr. Oder halt — der eine Zeuge behauptet doch, er habe ein verdächtiges Mädchen am Tatort gesehen?“
„Jawohl, das sagte er.“
„Bitten Sie ihn, auf alle Fälle zu warten, lassen Sie ihn nicht gehen, auch wenn ich mit dem Mädchen länger brauche. Und jetzt schicken Sie mir die Kleine, vielleicht haben wir Glück und können doch noch vor Mitternacht schlafen gehen.“
Der Wachtmeister nickte, öffnete die Tür und sagte:
„Kommen Sie ‘rein, Fräulein.“
*
Kriminalassistent Scheurich musterte das Mädchen, das abwartend in der Tür stehengeblieben war.
„Kommen Sie ‘rein und schließen Sie bitte die Tür“, sagte er.
Sie schien nicht ganz so keß zu sein, wie sie aussah: schulterlanges dunkles Haar, Pnyfransen bis in die Augenbrauen, die Wimpern schwarz getuscht, was ihren grauen Augen etwas Katzenhaftes verlieh. Ein gelber, knapper Pulli, enge Hosen in Schottenmuster, und über den Schultern ein kurzer Lammfellmantel.
Das Mädchen kam zögernd näher. Scheurich machte eine Handbewegung.
„Bitte setzen Sie sich.“ Er griff routinemäßig nach Kugelschreiber und Papier. „Ihren Namen, bitte.“
Das Mädchen blieb stehen, und als Scheurich aufblickte, begegnete er seltsam fragenden Augen.
Siebzehn? Zwanzig? dachte er, schwer zu schätzen.
Scheurich legte den Kugelschreiber weg.
„Sie sagten, daß Sie etwas über den Bankraub und den Täter wissen?“
„Vielleicht“, sagte sie. Ihre Stimme klang überraschend dunkel, aber nicht rauh. Eine sympathische Stimme, dachte Scheurich.
„Was heißt vielleicht?“ fragte er. „Damit kann ich nicht viel anfangen.“
Sie kam noch einen Schritt näher, stand nun unmittelbar vor Scheurichs Schreibtisch.
„Sagen Sie, kann man mit Ihnen auch... auch menschlich reden?“
Scheurich lächelte.
„Natürlich kann man das. Aber setzen Sie sich doch, dann wird alles noch menschlicher.“
Sie setzte sich, schlug die Beine übereinander und griff in ihre Manteltasche.
„Darf ich rauchen?“
Scheurich schob ihr sein Zigarettenpäckchen über den Tisch, aber sie lächelte und zeigte dabei tadellos gepflegte Zähne. Sie sah direkt hübsch aus, wenn sie lächelte.
„Danke, ich rauche lieber meine Schwarzen.“
Scheurich beugte sich vor und gab ihr Feuer, dann sagte er:
„Wenn Sie es wollen, betrachte ich Ihre Mitteilung als vertraulich. Aber — wenn Sie mir wirklich die Adresse und den Namen des Täters verraten, kann ich das natürlich nicht für mich behalten.“
„Klar“, sagte sie und blies den Rauch weit von sich. „Ich habe im Rundfunk die Durchsage der Polizei gehört. Es heißt, ein Mädchen sei mit im Spiel gewesen. Ich bin mit einem jungen Mann befreundet. Er ist vorbestraft, hat aber seit zwei Jahren nichts mehr verbrochen. Er hatte damals eine Freundin, die hat er sitzenlassen und ist zu mir gekommen. Ich liebe ihn. Er arbeitet und läßt seine Finger von krummen Dingen.“
„Schön“, sagte Scheurich. „Das freut mich. Aber was hat das mit dem Einbruch und dem Mord an dem Hauptwachtmeister zu tun?“
„Freddy hat vor sechs Jahren versucht, in eine Außenstelle einer Sparkasse einzubrechen. Das bringt die Polizei natürlich sofort heraus. Es ist möglich, daß dieses Mädchen, das er verlassen hat, sich rächen will, zur Polizei läuft und behauptet, Freddy sei der
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