Der Teufel mit den blonden Haaren
keinen Fall vor Gaby erwähnen. Folglich hatte Frau Ingrid erklärt, ihr Mann sei von einem entfernten Nachbarn um einen Rat gebeten worden und mit ihm gefahren.
„Das weiß ich nicht“, sagte sie jetzt. „Er hat nichts gesagt, aber allzu spät wird es nicht werden.
Sie hatte das Zimmer gerade verlassen, als das Telefon klingelte.
Toni stand auf, nahm den Hörer ab und meldete sich. Er hörte die Stimme seiner Schwester, die Gabriele sprechen wollte.
„Es ist Sabine“, sagte er fast bedauernd, während er Gaby den Hörer hinhielt. „Sie will dich unbedingt sprechen.“
Gaby nahm zögernd den Hörer und meldete sich. Sabine sagte:
„Ich habe vorhin der Kripo alles erzählt. Man wird das tun, was längst hätte geschehen sollen: man wird dich festnehmen. Wenn du jetzt noch einen ganz kleinen Funken Anstand hast, dann verlasse sofort unser Haus. Wenigstens das möchte ich meinem Vater ersparen.“
„Wie lieb von dir“, flötete Gaby mit einem Seitenblick auf Toni, der sie anschaute und sich offenbar bemühte, aus ihren Antworten Rückschlüsse über die Unterredung zu ziehen. „Wirklich reizend, deine Sorge. Aber ich fühle mich sehr wohl hier und vor allem bin ich nirgends so sicher.“
„Du bist ein Biest“, rief Sabine. „Es hilft dir doch nichts mehr, wenn du meinen Vater auch noch ins Unglück ziehst. Nimm dir aus meinen Schränken, was du brauchen kannst. In meinem Bücherregal, ganz links, findest du mein Postsparbuch mit dem Ausweis, es sind fast dreitausend Mark auf dem Konto — du kannst alles haben. Es ist Geld genug, damit du ein Stück weiterkommst. Das ist doch eine Chance für dich. Wenn du bleibst, hast du gar keine mehr.“
„Das kannst du ruhig mir überlassen“, sagte Gaby spöttisch. „Ich fühle mich hier wohl und geborgen, und ich werde bleiben.“
Sabines Stimme klang rauh und dunkel, als sie drohend sagte:
„Ich fahre in einer Viertelstunde los. Und ich brauche von hier bis nach Hause nicht mehr als eine Stunde. Wenn ich dich dann noch in unserem Hause antreffe, gibt es ein Unglück — richte dich danach.“
Sie hatte eingehängt, ehe Gaby noch etwas entgegnen konnte. Gaby legte den Hörer auf und zwang sich zu einem harmlosen Lächeln, als sie zu Tom sagte:
„Dein Schwesterlein macht sich Sorgen um dich. Sie hat mir gedroht, falls ich mit dir etwas anfangen würde. Sie hat gesagt, sie käme jetzt nach Hause und würde mich umbringen, wenn ich bis dahin nicht euer Haus verlassen hätte. Wie findest du denn das?“
Toni sprang empört auf.
„Die soll sich nicht in Dinge mischen, die sie nichts angehen. Ich werde ihr gehörig Bescheid sagen, es geht sie gar nichts an, was ich tue.“
Gaby setzte sich zu ihm auf die Stuhllehne, schlang ihre Arme um seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr:
„Müssen wir eigentlich hier vor diesem blöden Fernsehkasten sitzen? Ich finde es oben in deinem Zimmer viel gemütlicher.“
*
Kurze Zeit später klingelte das Telefon im Hause „Sonneck“ noch einmal. Diesmal drückte Frau Ingrid in ihrem Zimmer auf den Knopf und nahm das Gespräch ab.
„Hallo?“ sagte eine Männerstimme.
„Ja — Harald?“ sagte sie unsicher, „bist du es?“
Plötzlich klang die Stimme ganz anders, sie schien rauh und verstellt.
„Ich muß Fräulein Urban sprechen, sofort. Ist sie da?“
„J — ja“, sagte Frau Mercker unsicher. „Ja, ich glaube — einen Augenblick bitte.“
Sie legte den Hörer auf ihren Schreibsekretär. Merkwürdig — sie hätte geschworen, daß es zuerst die Stimme ihres Mannes gewesen war, aber nun hatte sie ganz anders geklungen. Kam das daher, daß sie gerade so intensiv an Harald dachte? Oder war es wirklich nur Einbildung?
Sie klopfte an Tonis Zimmertür, aus der sie Musik hörte, und öffnete sie einen Spalt.
„Ein Telefongespräch für Sie, Gaby. Ich habe es in meinem Zimmer, wenn Sie bitte mitkommen wollen...“
Gaby folgte ihr. Wahrscheinlich, dachte sie, wahrscheinlich hat Sabine inzwischen Angst vor ihrem eigenen Mut bekommen und macht einen Rückzieher.
Sie nahm den Hörer, meldete sich und mußte sich sehr beherrschen, um ihr Erschrecken nicht merken zu lassen. Sie hörte die Stimme Conegas, der sagte:
„Wir treffen uns in einer Stunde, kapiert? Nimm mit, was du für ein paar Tage brauchst, und wenn es irgendwie geht, dann beschaffe dir auch Geld, jede Menge. Wir treffen uns vorn am Abzweig zur Hauptstraße. Ist das klar?“
„Nichts ist klar“, fauchte Gabriele. „Ich habe dir doch
Weitere Kostenlose Bücher