Der Teufel mit den blonden Haaren
Landstraße, die sich schwarz vom weißen Schnee links und rechts abhob.
Er verfolgte die Straße ein Stück, dann bog er in einen Waldweg ein, den er gut kannte. Tatsächlich tat ihm die frische Winterluft gut, aber seine Gedanken waren aufgewühlt, wirbelten durcheinander, und diesen Zustand ertrug er nicht. Sein geschultes Hirn verlangte nach Ordnung und Klarheit, die Worte des jungen Kriminalisten hatten ihn zutiefst erregt, hatten ihn gewissermaßen an seinem Lebensnerv getroffen: wie sollte er weiterleben, wie seinen Beruf weiter ausüben können, wenn er mit diesem tödlichen Zweifel an sich selbst und seiner Arbeit nicht fertig werden konnte?
Er übersah den Abzweig, der direkt zum Haus „Sonneck“ führte und stapfte immer tiefer durch den Schnee in den Wald hinein.
Da hörte er den Schuß.
Der harte, trockene Knall, von der Nachtluft weithin getragen, ließ ihn zusammenfahren.
Er merkte, daß er viel zu weit gegangen war, aber er wußte doch, wo er sich befand und aus welcher Richtung der Schuß gekommen war: er machte kehrt und hastete den Weg zurück, fing an zu laufen, wollte noch rascher zu Hause sein und arbeitete sich quer durch den finsteren Wald zum Haus „Sonneck“, während nur wenige hundert Meter von ihm entfernt der Mörder das tote Mädchen von der Straße weg in die Fichtenschonung schleifte, ohne dabei auf Spuren im Schnee zu achten.
Friedrich Conega fühlte nichts bei dieser schaurigen Arbeit, höchstens eine dumpfe Befriedigung: Gaby würde nun auch keinem anderen mehr gehören und sie würde schweigen — für immer. Er hatte ein Sparbuch, man konnte morgen und in den nächsten Tagen einen Teil des Geldes abheben und über irgendeine Grenze flüchten.
Er wechselte, zu seinem gestohlenen Wagen zurückgekehrt, seine Schuhe, fuhr zur Isarbrücke und warf die nassen Schuhe, mit Werkzeug aus dem Wagen beschwert, in den Fluß. Niemand würde ihn aufgrund seiner Spuren überführen können.
Die kurz vorher gestohlene Pistole trug er griffbereit in seiner Jackentasche und war entschlossen, ohne Zögern zu schießen, falls sich ihm jemand in den Weg stellte.
XVII
Die Nacht trug den harten Knall des Pistolenschusses weit.
Dr. Mercker jagte durch die Fichtenschonung, riß sich an den Zweigen blutig, stürzte in einen Graben und verletzte sich an der Hand, als er nach einem Halt suchte. Er brauchte mindestens eine Viertelstunde, ehe er sein Haus erreichte.
Am Gartentor blieb er schwer atmend stehen. Im Wohnzimmer brannte Licht, in der Küche auch und oben im Zimmer seiner Frau. Es sah alles so friedlich aus — und doch war hier in der Nähe ein Schuß gefallen, nur ein einziger Schuß...
Er tastete sich durch den dunklen Garten und schaltete endlich das Licht von der Haustür ein. An der Hausecke, an der Grenze zwischen Hell und Dunkel, sah er seinen Sohn stehen, starr und unbeweglich.
„Toni — was tust du da?“
Der Junge schwieg, aber er trat einen Schritt in den Lichtschein. Dr. Mercker sah den flackernden Blick und die fahle Blässe im Gesicht seines Sohnes.
„Toni — um Gottes willen — was immer auch passiert sein mag, du mußt jetzt reden — was ist passiert?“
Toni lehnte sich an die Hauswand. Endlich sagte er leise:
„Das fragst du mich? Warum fragst du so - du weißt es doch.“
Der Richter löschte das Licht aus, es war zu hell um einander in die Augen zu sehen, im Dunkel sprach es sich leichter, und er wollte es seinem Sohn leichtermachen. Er trat zu Toni und legte ihm seine Hand auf die Schulter.
„Toni, mein Junge, sie war abgrundschlecht. Sie hat uns alle betrogen. Ich kann nicht billigen, was du getan hast, aber ich kann es verstehen. Wie ist es passiert?“
Toni schaute ihn groß an, es schien, als erwache er aus einem bösen Traum.
„Vater, ich verstehe dich nicht. Du hast sie doch selbst... du hast doch vorhin angerufen und gesagt, sie soll zur Landstraße kommen.“
Der Richter hatte sich wieder in der Gewalt.
„Komm mal mit ‘rein, Toni, was sagst du da? Ich hätte... ich soll dieses Mädchen angerufen haben? Wer...“
„Sie hat es mir selbst gesagt. Sie hat gesagt, du seist ganz verrückt nach ihr.“
Der Richter zögerte.
„Das hat sie wirklich gesagt? Toni, ich habe nicht angerufen. Himmel noch mal, Toni — so sprich doch endlich, was ist hier geschehen, ich war im Wald und habe einen Schuß gehört. Mehr weiß ich nicht.“
Toni stieß sich von der Hauswand ab und schaltete das Licht wieder ein.
„Ich muß dich sehen,
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