Der Teufel trägt Prada
längere Zeit in Frankreich gelebt hatte, immer noch ein halbdutzend Mal pro Jahr dorthin reiste und die Sprache in
Schrift und Wort perfekt, mit wunderbar melodiöser Aussprache, beherrschte? »Recht hast du. Ohne Französisch kein Kindermädchen. Hab’s verstanden.«
»Egal was oder wie, jedenfalls bist du dafür zuständig. Hier ist die Nummer von der Agentur, mit der wir arbeiten«, sagte sie und schickte sie mir per E-Mail herüber. »Sie wissen, wie heikel Miranda ist – wer wollte es ihr auch verdenken – und geben sich normalerweise große Mühe bei der Auswahl.«
Ich beäugte sie argwöhnisch. Wie wohl ihr Leben vor Miranda Priestly ausgesehen hatte? Ein Weilchen schlief ich mit offenen Augen weiter, dann klingelte das Telefon erneut. Gottlob ging Emily dran.
»Hallo Miranda. Ja – ja, ich kann Sie hören. Nein, absolut kein Problem. Friseur und Make-up für Donnerstag sind bestätigt. Und Andrea hat bereits erste Erkundigungen wegen des neuen Kindermädchens eingezogen. Sobald Sie zurück sind, stehen drei ernsthafte Kandidatinnen zum Auswahlgespräch bereit.« Mit schräg geneigtem Kopf ließ sie den Stift über ihre Lippen gleiten. »Mhm, ja. Ja, endgültig bestätigt. Nein, nicht 99 Prozent, 100. Definitiv. Ja, Miranda. Ja, ich habe die Bestätigung selbst vorgenommen, und ich bin mir ganz sicher. Sie freuen sich alle schon sehr. Okay. Einen schönen Flug noch. Ja, er ist bestätigt. Ich schicke gleich ein Fax. Okay. Ciao.« Sie legte auf und schien vor Wut am ganzen Leib zu zittern.
»Warum kapiert diese Frau es einfach nicht? Ich sage ihr, der Termin für Friseur und Make-up ist bestätigt. Wiederhole es für sie. Wozu denn noch 50 Mal das Gleiche? Und weißt du, was sie gesagt hat?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Weißt du, was sie gesagt hat? Nachdem sie schon nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht vor lauter Ärger, soll ich den Reiseplan dahingehend umschreiben, dass Friseur und Make-up bestätigt sind, und dann soll ich ihn ins Ritz faxen, damit ihr bei der Ankunft das korrekte Exemplar vorliegt. Ich tue alles für die
Frau – ich gebe mein Herzblut für sie – und dafür muss ich mich so von ihr anmachen lassen?« Sie war den Tränen nahe. So spannend es war, Emily bei einem ihrer seltenen Ausfälle gegen Miranda zu erleben – ich musste vorsichtig sein, weil jeden Augenblick der paranoide Runway -Rückzieher zu erwarten stand. Jetzt kam es auf den richtigen Ton an: mitfühlend, aber ohne Partei zu ergreifen.
»Es liegt nicht an dir, Em, ganz sicher nicht. Sie weiß, wie hart du arbeitest und was für eine tolle Assistentin du bist. Wenn sie nicht der Meinung wäre, dass du deinen Job super machst, hätte sie dich längst in die Wüste geschickt. Damit hat sie ja normalerweise nun wirklich keine Mühe.«
Emilys weinerliche Stimmung war verflogen; jetzt näherte sie sich der Trotzphase, was hieß, dass sie mir innerlich zwar Recht gab, Miranda aber sofort verteidigen würde, wenn ich zu drastisch wurde. In Psychologie hatte ich mal was vom Stockholm-Syndrom und von Täter-Opfer-Bindungen gehört, allerdings nie richtig verstanden, wie das eigentlich funktionierte. Vielleicht sollte ich bei Gelegenheit eine von Emilys und meinen kleinen Sessions hier auf Video aufnehmen und dem Prof als Anschauungsmaterial für das nächste Semester zukommen lassen. Noch weiter behutsam vorzugehen, hätte mich übermenschliche Anstrengung gekostet; also holte ich tief Luft und sprang ins kalte Wasser.
»Sie ist eine Irre, Emily«, sagte ich so leise und eindringlich wie nur möglich. »Es liegt nicht an dir, sondern an ihr. Sie ist eine taube Nuss, eine seichte, verbitterte Frau mit Tonnen und Abertonnen von fantastischen Klamotten – und nicht viel mehr.«
Emilys Miene versteinerte sichtlich, die Haut über ihren Wangen und am Hals schien zum Zerreißen gespannt und ihre Hände hörten auf zu zittern. Gleich würde sie mich plattmachen – aber nun gab es kein Halten mehr.
»Ist dir noch nie aufgefallen, dass sie überhaupt keine Freunde
hat? Klar, es rufen Tag und Nacht die coolsten Leute bei ihr an, aber doch nicht, um mit ihr über ihre Kinder oder über ihre Arbeit oder ihre Ehen zu reden. Sie rufen an, weil sie etwas von ihr wollen. Von außen betrachtet, wirkt es natürlich wahnsinnig beeindruckend, aber stell dir doch bloß mal vor, alle rufen dich nur an, weil sie -«
»Schluss damit!«, schrie sie, und jetzt strömten ihr tatsächlich die Tränen übers Gesicht. »Halt endlich die
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