Der Teufel trägt Prada
berühmter Leute es ja »immer nicht leicht hätten.« Abgehakt. Die dritte und viel versprechendste Kandidatin war in Manhattan aufgewachsen, hatte gerade in Middlebury ihren Abschluss gemacht und wollte ein Jahr als
Kindermädchen jobben, um sich eine Reise nach Paris zu finanzieren. Hieß das, sie sprach Französisch? Ja. Das einzige Problem war, dass sie als absolute Stadtpflanze keinen Führerschein besaß. War sie gewillt, das zu ändern? Nein, sie fand, die Straßen seien auch so schon verstopft genug. Nummer drei ebenfalls erledigt. Den restlichen Tag tüftelte ich an taktvollen Formulierungen herum, die Miranda klar machen sollten, dass ein attraktives, durchtrainiertes, im Umgang mit Prominenten vertrautes Mädchen, das in Manhattan wohnte, Auto fahren und schwimmen konnte, über einen Uniabschluss verfügte, Französisch sprach und völlig frei in ihrer Zeitgestaltung war, mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht als Kindermädchen würde arbeiten wollen.
Es musste Gedankenübertragung gewesen sein, denn im nächsten Augenblick klingelte das Telefon. Ich rechnete nach und warf einen raschen Blick auf den von Emily im Sekundentakt festgelegten Reiseplan. Demnach war Miranda soeben in Paris gelandet und befand sich auf dem Weg zum Ritz.
»Büro Miran-«
»Emily!«, kreischte sie. Wohlweislich unterließ ich es für diesmal, sie zu korrigieren. »Emily! Der Fahrer hat mir ein anderes Telefon gegeben, und das heißt, ich habe keine einzige Nummer. Das ist inakzeptabel. Vollkommen inakzeptabel. Wie soll ich ohne Telefonliste von hier aus Geschäfte führen? Verbinden Sie mich auf der Stelle mit Mr. Lagerfeld.«
»Ja, Miranda, bitte bleiben Sie einen Augenblick dran.« Ich schaltete sie auf Warteschleife und rief Emily zu Hilfe. Völlig sinnlos. Eher hätte ich den Hörer mit Stumpf und Stiel auffressen können, als Karl Lagerfeld aufzutreiben, bevor Miranda sich schäumend vor Wut ausklinken würde, nur um erneut anzurufen und mich zu nerven: »Wo zum Teufel ist er? Was heißt das, Sie können ihn nicht finden? Wissen Sie nicht, wie man mit einem Telefon umgeht?«
»Sie will Karl«, rief ich zu Emily hinüber. Wie der Blitz fuhr
sie hoch und durchwühlte hektisch sämtliche Blätter auf ihrem Schreibtisch.
»Okay, hör zu. Wir haben maximal 30 Sekunden. Du übernimmst Biarritz und den Fahrer, ich probiere es in Paris und bei der Assistentin«, rief sie zurück, während ihre Finger schon über das Tastenfeld flogen. Ein Doppelklick auf die Liste »Kontakte«, die wir beide auf der Festplatte hatten; unter den Tausenden von Namen genau fünf Nummern, bei denen ich es versuchen musste: Biarritz eins, Biarritz zwei, Biarritz Studio, Biarritz Pool und Biarritz Fahrer. Ein Blick auf die restlichen Einträge unter »Karl Lagerfeld« zeigte mir, dass Emily insgesamt sieben Nummern zu erledigen hatte, abgesehen von weiteren in New York und Mailand. Genauso gut konnten wir uns gleich die Kugel geben.
Nach Biarritz eins versuchte ich es gerade mit Biarritz zwei, als das rote Licht aufhörte zu blinken. Miranda habe aufgelegt, teilte Emily mir mit – nur für den Fall, dass ich es nicht mitbekommen hätte. Dabei waren höchstens 15 Sekunden vergangen – heute hatte sie es offenbar besonders eilig. Natürlich klingelte es sofort wieder; ich schenkte Emily einen flehenden Hundeblick, und sie erbarmte sich. Mit ihrer Begrüßungsformel kam sie ungefähr so weit wie ich, dann nickte sie gewichtig und ging daran, Miranda zu beruhigen. Ich war mittlerweile, o Wunder, bei Biarritz Pool angelangt und hatte eine Frau am Apparat, die keine Silbe Englisch sprach. Vielleicht waren solche Leute ja Schuld an dem allgemeinen Französisch-Wahn?
»Ja, Miranda, ja. Andrea und ich wählen uns gerade durch. Es kann sich nur noch um Sekunden handeln. Ja, ich verstehe. Nein, ich weiß, dass es frustrierend ist. Wenn ich Sie noch ungefähr zehn Sekunden in die Warteschleife setzen darf, bis dahin haben wir ihn sicher irgendwo erreicht. Okay?« Sie drückte auf den Knopf und tippte gleichzeitig hektisch weiter Nummern ein. Nach dem zu schließen, was sie da auf Französisch mit einem – für mein Gefühl – grauenvollen Akzent radebrechte, versuchte
sie gerade jemandem am anderen Ende klar zu machen, wer Karl Lagerfeld war. Wir waren nicht so gut wie erledigt, wir waren eindeutig tot. Eben wollte ich die verrückte Französin abwürgen, die unablässig weiter in den Hörer kreischte, als das rote Blinklicht erneut erlosch. Emily wählte
Weitere Kostenlose Bücher