Der Teufel trägt Prada
wurde. Und wozu – damit sie alle am Ende ihres langen, mühseligen Aufstiegs sagen konnten, sie hätten bei der Modenschau von Yves Saint-Laurent in der ersten Reihe gesessen und zwischendurch ein paar Prada-Taschen abgestaubt?
Es war an der Zeit einzulenken. »Ich weiß«, gab ich seufzend nach, da sie so gar nicht locker lassen wollte. »Hoffentlich ist dir wenigstens klar, dass du diejenige bist, die ihr einen Gefallen tut, wenn du dich mit dem Scheiß da herumschlägst, und nicht umgekehrt.«
Ich war auf einen schnellen Konter gefasst. Stattdessen grinste Emily mich an. »Ich hab ihr doch ungefähr hundertmal gesagt, dass der Donnerstagtermin für Friseur und Make-up bestätigt ist, ja?«
Ich nickte. Sie sah geradezu verdächtig übermütig aus.
»Das war glatt gelogen. Ich hab keine Menschenseele angerufen und nirgendwo irgendwas bestätigt!«, krähte sie.
»Emily! Ist das dein Ernst? Und was machst du jetzt? Du hast doch gerade noch Stein und Bein geschworen, dass der Termin steht.« Zum ersten Mal, seit ich bei Runway arbeitete, war ich in Versuchung, sie zu umarmen.
»Jetzt komm schon, Andy. Glaubst du ehrlich, dass irgendwer mit einem Funken Verstand nein sagt, wenn sie einen Friseurund Make-up-Termin haben will? Damit kann seine ganze Karriere geritzt sein – er wäre schön blöd, ihr abzusagen. Ich bin mir sicher, dass der Typ es sowieso schon eingeplant hatte. Wahrscheinlich musste er bloß noch seine Reisepläne ummodeln oder irgend so was. Ich brauche keine Bestätigung von ihm, weil ich einfach weiß, dass er es macht. Ihm bleibt doch gar nichts anderes übrig. Sie ist Miranda Priestly!«
Jetzt war ich den Tränen nahe, aber ich sagte bloß: »Was muss ich denn für diese Kindermädchen-Interviews alles wissen? Wahrscheinlich sollte ich mich lieber gleich dranmachen.«
»Ja«, stimmte sie zu, offenbar noch immer hochzufrieden mit ihrem cleveren Schachzug. »Das wäre vielleicht keine schlechte Idee.«
Die erste Kandidatin reagierte, als wäre unmittelbar vor ihr eine Bombe eingeschlagen.
»Mein Gott!«, plärrte sie los, als ich am Telefon fragte, ob sie es wohl einrichten könne, sich persönlich bei mir im Büro vorzustellen. »Mein Gott! Ist das Ihr Ernst?«
»Äh, heißt das ja oder nein?«
»Großer Gott, ja. Ja, ja, ja! Bei Runway ? O Gott. Wenn ich das meinen Freundinnen erzähle. Die fallen tot um. Garantiert. Sagen Sie mir bloß, wo und wann.«
»Sie haben aber schon verstanden, dass Miranda sich augenblicklich auf Reisen befindet und deshalb nicht selbst mit Ihnen sprechen kann?«
»Ja. Klar.«
»Und Sie wissen auch, dass Sie die beiden Töchter von Miranda betreuen sollen? Dass Ihre Arbeit nichts mit Runway zu tun hat?«
Mit einem tiefen Seufzer schien sie sich in die traurigen Tatsachen
zu fügen. »Ja, natürlich. Kindermädchen. Habe ich vollkommen verstanden.«
Hatte sie offensichtlich nicht, denn als sie aufkreuzte, entsprach sie zwar äußerlich den Anforderungen (groß, tadellos gepflegt, halbwegs akzeptabel angezogen und knapp vor dem Verhungern), erkundigte sich aber wieder und wieder, welche Aufgabenbereiche ihre Anwesenheit in der Redaktion erfordern würden.
Ich bedachte sie mit dem vernichtendsten Blick, den ich auf Lager hatte. Die Wirkung war gleich null. »Äh, keine. Darüber hatten wir doch schon gesprochen. Ich führe im Auftrag von Miranda lediglich einige Vorgespräche durch, die eben im Büro stattfinden, aber das ist auch schon alles. Die Zwillinge wohnen woanders, verstehen Sie?«
»Richtig, ja«, lenkte sie ein. Zu spät: Sie war schon aus dem Rennen.
Die nächsten drei von der Agentur, die bereits im Empfangsbereich warteten, waren nicht viel besser: Zwar allesamt mit den körperlichen Merkmalen ausgestattet, die Miranda voraussetzte (die Agentur wusste wirklich haargenau, worauf sie Wert legte), aber keiner von ihnen hätte ich meine künftigen Neffen oder Nichten anvertraut, und das war der Standard, den ich für die Auswahl angesetzt hatte. Eine hatte in Cornell Frühkindliche Pädagogik studiert, glotzte mich aber nur verständnislos an, als ich zart anzudeuten versuchte, dieser Job könne sich ein klein wenig von ihren früheren unterscheiden. Eine andere war mal mit einem berühmten Basketballspieler gegangen und hatte dabei »tiefe Einblicke in die Welt der Prominenz« gewonnen. Doch auf meine Frage, ob sie je mit Sprößlingen von Prominenten zu tun gehabt habe, rümpfte sie instinktiv die Nase und teilte mir mit, dass Kinder
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