Der Teufel trägt Prada
Schnauze, verdammt! Kommst hier hereinmarschiert und bildest dir ein, du hättest den vollen Durchblick. Das kleine Fräulein ist ja sooo sarkastisch und sooo erhaben über alles! Hör zu, du kapierst gar nichts. Null, niente!«
»Em -«
»Komm mir nicht mit deinem ›Em‹, Andy. Lass mich ausreden. Ich weiß, dass Miranda schwierig ist. Ich weiß, dass sie manchmal wirkt, als wäre sie vollkommen durchgedreht. Ich weiß, wie es ist, wenn man nie zum Schlafen kommt und ständig Angst hat, sie könnte anrufen, und von deinen Freunden hat keiner Verständnis. Ich weiß es, ich weiß es, ich weiß es! Aber wenn du es so ätzend findest und bloß ständig über sie und alle anderen meckern kannst, warum ziehst du dann nicht Leine? Es ist deine Einstellung, die ist das Problem. Und wenn du sagst, Miranda wäre eine Irre – also ich denke mal, es gibt da sehr, sehr viele Leute, die finden, dass sie enorme Gaben und Talente und unheimlich was drauf hat, und die eher dich für die Irre halten, weil du nicht alles daransetzt, einer Frau von diesem unglaublichen Format zuzuarbeiten. Denn das ist sie, das ist sie wirklich!«
Ich ließ das für einen Moment wirken und musste ihr Recht geben. Soweit ich es beurteilen konnte, war Miranda als Herausgeberin tatsächlich einsame Spitze. Jeder noch so winzige Text für das Magazin wurde von ihr unerbittlich bis aufs letzte Komma durchgeprüft, und sie hatte keinerlei Bedenken, alles umzuschmeißen und von vorne anzufangen, egal, welche Ungelegenheiten und welches Ungemach sie allen anderen damit bereitete.
Zwar entschieden die einzelnen Moderedakteurinnen selbst über die Outfits für die Aufnahmen, aber die ganze Aufmachung und die Models wurden einzig und allein von Miranda bestimmt. Und auch die Mitarbeiter, die für die eigentlichen Aufnahmen zuständig waren, führten lediglich Mirandas spezifische und minutiöse Anweisungen aus. Sie hatte das letzte – und häufig genug schon das erste, entscheidende – Wort bei jeder Ausgabe, von Armbändern, Taschen, Schuhen, Outfits und Frisuren über sämtliche Beiträge, Interviews, Fotos und Models bis hin zu den Aufnahmeorten und Fotografen – und war damit zweifellos an vorderster Stelle für den verblüffenden Erfolg verantwortlich, den Runway Monat für Monat verbuchte. Ohne Miranda Priestly wäre Runway nicht Runway , Teufel noch mal, es wäre keinen Pfifferling wert, und das wusste ich so gut wie jeder andere. Trotzdem sah ich immer noch nicht ein, wieso all das ihr das Recht geben sollte, mit den Leuten so rüde umzuspringen. Warum galt sie wegen ihres Talents, ein finster dreinblickendes, langbeiniges asiatisches Model mit einem Abendkleid von Balmain in eine Nebenstraße von San Sebastian zu platzieren, als so sakrosankt, dass niemand sie für ihr Benehmen zur Rechenschaft zog? Das hatte ich immer noch nicht kapiert, aber was wusste ich schon. Ich war ja nur ein blödes Gänschen, im Gegensatz zu Emily.
»Emily, ich will doch bloß sagen, dass du wirklich eine Superassistentin bist und sie froh sein kann, jemanden zu haben, der so hart arbeitet wie du und sich so aufreibt für den Job. Du sollst doch nur einsehen, dass es nicht dein Fehler ist, wenn sie mit irgendwas unzufrieden ist. Sie ist von Natur aus unzufrieden. Du hast wirklich dein Möglichstes getan.«
»Weiß ich doch. Weiß ich. Aber du würdigst sie zu wenig, Andy. Denk mal drüber nach. Denk echt mal drüber nach. Sie hat so unglaublich viel erreicht und hat dafür so viele Opfer bringen müssen. Und ihr manchmal etwas unfreundliches Auftreten – gilt das nicht für die Supererfolgstypen in allen Bereichen?
Sag mir einen Geschäftsführer, Firmenpartner, Filmregisseur oder wen auch sonst, der nicht manchmal Härte zeigen muss? Das gehört nun mal zum Job.«
In der Sache kamen wir auf keinen gemeinsamen Nenner, das sah ich schon. Emily hatte sich Miranda und Runway und allem, was dazugehörte, mit Haut und Haaren verschrieben, und ich verstand einfach nicht, wieso. Sie unterschied sich um keinen Deut von den aberhundert anderen persönlichen Assistentinnen, Redaktionsassistentinnen, stellvertretenden, hauptamtlichen, leitenden und Chefredakteurinnen von Modemagazinen, und trotzdem, es wollte mir schlicht und einfach nicht in den Kopf. So wie ich es bisher erlebt hatte, wurde jede einzelne von ihrer direkten Vorgesetzten gedemütigt, niedergemacht und grundsätzlich schikaniert – und exerzierte das Gleiche an ihren Untergebenen, sobald sie befördert
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