Der Teufel trägt Prada
Anruf um und wählte erneut Paris an. Zum Glück hob der Fahrer gleich unter der ersten Nummer und beim ersten Klingeln ab. Pech war nur, dass er kein Englisch sprach. Ich hatte nie zu selbstzerstörerischen Aktionen geneigt, doch jetzt hieb ich meinen Kopf mit aller Kraft auf die Schreibtischplatte. Nach dem dritten Mal
übernahm Emily den Anruf. Sie verlegte sich aufs Brüllen – weniger, damit der Chauffeur ihr miserables Französisch so vielleicht besser verstand, sondern schlicht, um ihm den grimmigen Ernst der Lage klar zu machen. Neue Fahrer mussten immer erst ein bisschen abgerichtet werden; vor allem galt es, ihnen die törichte Vorstellung auszutreiben, Miranda werde nicht gleich sterben, wenn man sie einmal 45 Sekunden oder auch eine volle Minute warten ließ.
Nachdem Emily dem Fahrer genügend Beleidigungen an den Kopf geworfen hatte, dass er mit Karacho dorthin zurückraste, wo er Miranda vor drei, vier Minuten stehen gelassen hatte, legten wir beide die Köpfe auf dem Tisch ab. Der Appetit aufs Mittagessen war mir so ziemlich vergangen, und das irritierte mich. Fing Runway schon an, auf mich abzufärben? Oder wirkten Adrenalin und Nerven vereint als todsicherer Appetitzügler? Das war es! Die allgemeine Magersucht bei Runway war nicht auf eigene Willensentscheidungen zurückzuführen, sondern lediglich die körperliche Reaktion auf den ständigen Terror und die alles beherrschende Atmosphäre der Beklemmung, die auf den Magen schlugen. Ich nahm mir vor, der Sache weiter nachzugehen; am Ende war Miranda noch eine Ecke schlauer als gedacht und hatte sich bewusst zu einem solchen Drachen stilisiert, dass die Leute von der Angst vor ihr buchstäblich aufgefressen wurden.
»Aber, aber, meine Damen! Kopf hoch! Die Vorstellung, Miranda könnte euch so sehen! Der Anblick würde sie nicht entzücken!«, trällerte James vom Flur her. Er hatte sein Haar mit irgendeinem schmierigen Wachszeug nach hinten gegelt, das Bed Head hieß (»Scharfer Name – wer kann da widerstehen?«), und trug eine Art Footballtrikot, hauteng, mit einer 69 auf Brust und Rücken. Subtilität und vornehme Zurückhaltung in Person, wie immer.
Keine von uns würdigte ihn auch nur eines Blickes. Laut Uhr war es erst vier. Anfühlen tat es sich wie Mitternacht.
»Alsdann, lasst mich raten. Mama war pausenlos in der Leitung, weil sie irgendwo zwischen dem Ritz und Alain Ducasse einen Ohrring verloren hat, den ihr gefälligst wiederfinden sollt, und wenn ihr hundertmal in New York seid und nicht in Paris.«
Ich schnaubte. »Glaubst du vielleicht, wegen so was wären wir in dem Zustand? Das ist unser Job . Kinkerlitzchen von der Sorte erledigen wir jeden Tag. Denk dir was Besseres aus.«
Sogar Emily lachte. »Echt, James, das reicht nicht. Einen Ohrring finde ich in jeder Stadt der Welt binnen weniger als zehn Minuten.« Aus unerklärlichen Gründen schien ihr das Spielchen plötzlich Spaß zu machen. »Etwas schwieriger wäre es höchstens, wenn sie uns nicht mitteilt, in welcher Stadt sie ihn verloren hat. Aber das würden wir auch noch hinkriegen.«
James zog sich, gespieltes Entsetzen in der Miene, Schritt um Schritt rückwärts aus dem Büro zurück. »Gut denn, meine Damen, dann noch weiterhin einen schönen Tag, ja? Wenigstens hat sie euch nicht restlos fertig gemacht. Das ist doch schon was, oder? Ihr beiden seid gottlob noch gaaaanz gut beieinander. Yeah. Äh, also schönen Tag…«
»NICHT DOCH SO SCHNELL, HERZCHEN«, kreischte eine Stimme in den höchsten Tönen. »MARSCH ZURÜCK DA HINEIN, UND DANN ERZÄHLST DU DEN MÄDELS, WAS DU DIR DABEI GEDACHT HAST, HEUTE FRÜH DIESEN ABGE-SCHMACKTEN FETZEN DA ANZUZIEHEN!« Nigel bekam James am linken Ohr zu fassen und schleifte ihn zwischen unsere Schreibtische.
»Ach, komm schon«, jaulte James, der genervt tat, obwohl es ihm sichtlich Spaß machte, von Nigel in die Zange genommen zu werden. »Du findest das Top doch super!«
»SUPER? DAS DING DA? DIESEN SCHWEISSSCHWULEN SPORTSKANONENLOOK, DEN DU DA DRAUF HAST? ÜBERLEG’S DIR BESSER NOCH MAL, OKAY? OKAY?«
»Was ist denn verkehrt an einem engen Footballtrikot? Ich finde, es sieht scharf aus.« Emily und ich nickten zustimmend.
Es war vielleicht nicht gerade besonders geschmackvoll, aber er sah irre cool damit aus. Außerdem war es ziemlich hammerhart, Modetipps von einem Typen zu kriegen, der da in Boot-Cut-Jeans (Zebra-Print) in unserem Büro stand und dazu einen schwarzen Sweater trug, mit V-Ausschnitt vorne und Guckloch
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