Der Teufel trägt Prada
nicht mitgekriegt. Sie war mittlerweile aus dem Bett heraus und hatte ein T-Shirt übergezogen.
»Lily, wer in drei Teufels Namen war denn das? So eine Null ist mir im Leben noch nicht untergekommen, ganz abgesehen davon, dass man allein bei seinem Anblick das kalte Kotzen kriegt.«
Sie schüttelte langsam den Kopf und versuchte sich offenbar angestrengt zu erinnern, wo ihr der Knabe über den Weg gelaufen war. »Zum Kotzen. Stimmt, er ist echt zum Kotzen, und ich habe keinen blassen Schimmer, was eigentlich passiert ist. Ich weiß noch, wie du gestern Abend weg bist und dass ich mich mit irgendeinem netten Kerl im Anzug unterhalten habe – wir haben uns ein paar Fläschchen Jägermeister gegeben, weiß auch nicht genau warum – und das war’s.«
»Mensch Lily, wie blau musst du eigentlich gewesen sein, dass du mit so einem Fiesling ins Bett steigst, und dann auch noch in unserer Wohnung!« Ich fasste nur in Worte, was auf der Hand lag – dachte ich. Doch sie riss verblüfft die Augen auf.
»Meinst du wirklich, ich bin mit ihm im Bett gewesen?«, fragte sie zaghaft, als wollte sie die nackten Tatsachen nicht wahrhaben.
Mir fiel wieder ein, was Alex vor ein paar Monaten gesagt hatte: Lily trank mehr als normal – alle Anzeichen sprachen
dafür. Sie ließ regelmäßig Seminare ausfallen, war in der Ausnüchterungszelle gelandet und hatte zu schlechter Letzt den grauenvollsten Mutanten der Spezies Mann angeschleppt, der mir je unter die Augen gekommen war. Mir fiel auch die Nachricht wieder ein, die ein Professor ihr unmittelbar nach den Abschlussprüfungen auf unser Band gesprochen hatte: Irgendwie ging es darum, dass Lilys Hausarbeit absolut brillant sei, er ihr aber trotzdem nicht die Bestnote geben könne, weil sie zu viele Seminare geschwänzt und sämtliche Arbeiten zu spät abgeliefert habe. Ich beschloss, mich vorsichtig an die Sache heranzutasten. »Lil, Süße, der Kerl ist, glaube ich, nicht das Problem. Es liegt wohl eher am Trinken.«
Sie bürstete sich die Haare, und erst jetzt fiel mir auf, dass sie frisch aus dem Bett kam – Freitagabend um sechs. Sie legte keinen Widerspruch ein, also redete ich weiter.
»Grundsätzlich hab ich ja kein Problem damit«, sagte ich in dem Bemühen, eine offene Konfrontation zu vermeiden. »Gegen ein Gläschen hier oder da ist natürlich nichts einzuwenden. Ich hab nur das Gefühl, als wäre es bei dir in letzter Zeit ein bisschen außer Kontrolle geraten, weißt du. Gab’s irgendwelche Probleme in der Uni?«
Sie wollte antworten, doch da steckte Alex den Kopf zur Tür herein, sagte: »Sie ist dran«, hielt mir mein plärrendes Handy hin und war schon wieder verschwunden. Herrrrrrg-! Die Frau hatte ein wahrhaft begnadetes Talent, mir alles und jedes zu versauen.
»Sorry«, sagte ich zu Lily und beäugte dabei argwöhnisch das Display, auf dem wieder und wieder hektisch »MP HANDY« blinkte. »Meistens braucht sie nur eine Sekunde, um mich niederzumachen, also vergiss nicht, was du sagen wolltest.« Lily legte die Bürste weg und sah mir beim Telefonieren zu.
»Büro Miran-« Nicht schon wieder diese Nummer. »Andrea hier«, korrigierte ich und wappnete mich innerlich gegen das Sperrfeuer.
»Andrea, Sie wissen, dass ich Sie heute Abend um halb sieben an Ort und Stelle erwarte?«, kläffte sie unter Verzicht auf einleitende oder verbindliche Worte.
»Öh, ähm, Sie hatten doch vorher sieben Uhr gesagt. Ich muss noch -«
»Ich sagte halb sieben, und ich sage es noch einmal. Haaaalb siiiiebänn . Verstanden?« Klick. Sie hatte ausgeschaltet. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Fünf nach sechs. Was nun?
»Ich soll in 25 Minuten da sein«, ließ ich die Allgemeinheit wissen.
Lily griff die Ablenkung dankbar auf. »Na, dann geben wir uns mal dran, hm?«
»Wir sind mitten im Gespräch, und das hier ist wichtig. Was wolltest du vorhin sagen?« Die Worte stimmten alle, aber wir wussten beide, dass ich in Gedanken schon Lichtjahre weit weg war. Duschen war gestrichen; ich hatte noch genau 15 Minuten, um mich ausgehfein zu machen und in den Wagen zu verfrachten.
»Komm jetzt, Andy, du musst los. Wir reden später darüber.«
Und wieder blieb mir nichts übrig, als in Windeseile, mit fliegendem Puls, loszulegen: ins Kleid steigen, mir einmal mit der Bürste durchs Haar fahren und nebenbei den Bildern von den Abendgästen, die Emily freundlicherweise für mich ausgedruckt hatte, den einen oder anderen passenden Namen zuordnen. Lily sah dem ganzen Wirbel milde
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