Der Teufel trägt Prada
Visier herunter, aber irgendwie hegte ich seit jenem Wochenende geringfügig freundlichere Gefühle für Emily. Bis zu diesem Augenblick, versteht sich. Mir anzuhören, welche empörende Zumutung oder Unannehmlichkeit sie auf mich abzuladen gedachte, so weit ging meine Zuneigung nun auch wieder nicht.
»Du klingst echt übel. Bist du krank?« Ich hätte gern einen Schuss Mitgefühl beigemischt, aber es kam einfach bloß aggressiv und vorwurfsvoll heraus.
»Kann man so sagen«, brachte sie mit Mühe heraus, bevor sie in bellenden Husten verfiel. »Richtig krank.«
Mit dieser Formulierung konnte mir mittlerweile eigentlich niemand mehr kommen: Solange keine Diagnose einer hochoffiziellen, womöglich lebensbedrohlichen Erkrankung vorlag, ging es einem gut genug, um bei Runway auf der Matte zu stehen. Weshalb ich auch dann noch, als Emily mit Husten fertig war und erneut darauf hinwies, sie sei ernstlich krank, keinen Augenblick lang in Betracht zog, sie würde Montagmorgen nicht hinter ihrem Schreibtisch sitzen. Schließlich sollte sie am 18. Oktober zu Miranda nach Paris fliegen, und bis dahin blieb nur noch eine gute Woche. Außerdem hatte ich persönlich in dem knappen Jahr, das ich nun schon in Lohn und Brot stand, diverse Halsentzündungen, mehrere Bronchitisattacken, eine ekelhafte Lebensmittelvergiftung sowie den permanenten Raucherhusten und die ewigen Erkältungen weggesteckt, ohne auch nur einen Tag zu fehlen.
Ein einziges Mal, als ich wegen einer Halsentzündung dringend Antibiotika brauchte, hatte ich mich zum Arzt geschlichen und darauf bestanden, sofort dranzukommen (offiziell sollte ich mich bei Autohändlern nach einem neuen Wagen für Mr. Tomlinson umsehen) -, aber für irgendwelche vorbeugenden Maßnahmen war nie Zeit geblieben. Ein Dutzend Termine für Strähnchen bei Marshall, die eine oder andere kostenlose Massage in Wellness-Einrichtungen, die sich geehrt fühlten, Mirandas Assistentin als Gast bei sich begrüßen zu dürfen, sowie zahllose Maniküren, Pediküren und Schönheitsbehandlungen – aber zum Zahnarzt oder zum Gynäkologen hatte ich es in dem ganzen Jahr nicht geschafft.
»Kann ich irgendwas tun?«, fragte ich so beiläufig wie möglich und zermarterte mir derweil das Hirn, was hinter ihrem Anruf stecken mochte. Ob sie sich wohl fühlte oder nicht, spielte – was uns beide anging – nicht die geringste Rolle. So oder so würde sie Montag früh antreten.
Ein weiterer, rasselnder Hustenanfall, der sich nach Schleim in der Lunge anhörte. »Äh, ja, allerdings. O Gott, ich glaub’s einfach nicht. Warum muss das ausgerechnet mir passieren?«
»Was? Was ist denn los?«
»Ich kann nicht nach Paris fliegen. Ich habe Pfeiffer’sches Drüsenfieber.«
»Was?«
»Du hast ganz richtig gehört, ich kann nicht fliegen. Heute hat der Arzt angerufen und mir die Blutergebnisse mitgeteilt, denen zufolge ich ab sofort für die kommenden drei Wochen meine Wohnung nicht mehr verlassen darf.«
Drei Wochen! Das durfte ganz einfach nicht wahr sein. Mitleid für sie kam gar nicht erst auf in mir – schließlich hatte mich in den vergangenen Monaten einzig der Gedanke aufrecht gehalten, dass sowohl Miranda wie Emily eine ganze Woche lang aus meinem Leben verschwunden sein würden. Und nun sagte sie mir, es sei Essig damit.
»Emily, sie macht Frikassee aus dir – du musst fliegen! Weiß sie es schon?«
Unheilvolles Schweigen in der Leitung. »Äh, ja, sie weiß Bescheid.«
»Du hast sie angerufen?«
»Ja. Genauer gesagt, ich habe den Arzt bei ihr anrufen lassen, weil sie meinte, Pfeiffer’sches Drüsenfieber wäre doch bloß eine Lappalie, also musste er ihr erklären, dass ich sie und alle anderen anstecken könnte, und außerdem...« Sie brach ab, doch ihr Tonfall ließ das Schlimmste vermuten.
»Außerdem was?« Mein Fluchtinstinkt arbeitete auf Hochtouren.
»Außerdem... will sie, dass du sie begleitest.«
»Dass ich sie begleite, ah ja? Das ist echt originell. Und was hat sie wirklich gesagt? Sie will dich doch wohl nicht feuern, bloß weil du krank bist?«
»Andrea, ich mein’s« – ihr Satz erstickte in schleimigem Auswurf, und einen Moment lang fürchtete ich, sie würde mir unter dem Hörer wegsterben – »ernst. Absolut total ernst. Sie sagte irgendwas von wegen, die Assistentinnen, die sie vor Ort gestellt bekäme, seien dermaßen unfähig, dass sie dann schon eher mit dir vorlieb nehme.«
»Na, wenn das so ist, dann nehme ich das Angebot natürlich mit Kusshand an! Es
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