Der Teufel trägt Prada
um die Verteilung. Und sie kriegt natürlich für jeden Tag minutiös aufgelistet, was
für die Zwillinge in Sachen Schule, Sport, sonstige Aktivitäten und Verabredungen auf dem Plan steht, plus die Arbeitseinteilung des gesamten Personals. Was sagst du nun? Du musst dir wirklich keine Sorgen machen – ich hab alles im Griff.«
»Denk an den Samt«, schnarrte sie mit tonloser Roboterstimme. »Und an die Schals!«
»Aber gewiss doch! Sind schon auf der Liste.« Bevor Miranda für eine Reise packte (beziehungsweise, ihre Haushälterin für sich packen ließ), besorgten Emily oder ich in einem Stoffladen tonnenschwere Rollen Samt und transportierten sie zu Miranda in die Wohnung. Dort schnitten wir sie gemeinsam mit der Haushälterin jeweils passgenau zurecht und wickelten jedes einzelne Kleidungsstück, das sie mitzunehmen gedachte, in das edle Tuch ein. Die samtigen Päckchen wurden alsdann sorgsam in Dutzenden von Vuitton-Koffern verstaut, nebst jeder Menge Extrateile, weil sie erfahrungsgemäß beim Auspacken in Paris die erste Ladung sofort in die Ecke pfefferte. Außerdem blieb normalerweise ungefähr ein halber Koffer für ein Dutzend orangefarbener Schachteln von Hermès reserviert, in denen jeweils ein einzelner weißer Schal darauf wartete, irgendwo liegen gelassen, vergessen, verlegt oder schlicht und einfach weggeworfen zu werden.
Nach halbwegs überzeugenden Mitleidsbekundungen an Emilys Adresse legte ich auf und fand Lily hingerekelt auf der Couch, eine Zigarette im Mund und ein Cocktailglas in der Hand, dessen durchsichtiger Inhalt nicht nach Wasser aussah.
»Ich dachte, hier drin würde nicht geraucht?« Ich ließ mich neben sie fallen und legte die Füße auf den zerschrammten, niedrigen Holztisch, den ich von meinen Eltern abgestaubt hatte. »Mir kann’s ja egal sein, du wolltest es so haben.« Im Gegensatz zur Verfasserin dieser Zeilen war Lily keine echte Nikotinsüchtige; sie rauchte eigentlich nur beim Trinken und kaufte auch nie eigens Zigaretten. Nun aber lugte eine frisch entrindete
Schachtel Camel Special Lights aus der Brusttasche ihres großzügig dimensionierten Herrenhemdes. Ich deutete mit dem Kinn darauf und stupste Lily mit meinem Hausschuh an den Oberschenkel. Sie überließ mir die Packung samt Feuerzeug.
»War mir klar, dass es dir egal ist«, sagte sie nach einem genüsslichen Zug. »Ich komm einfach nicht in die Gänge, und damit kann ich mich besser konzentrieren.«
»Was steht denn an?«, fragte ich und warf ihr das Feuerzeug zurück. Nach der mageren Vorstellung vom Frühjahr nahm sie dieses Semester 17 Scheine in Angriff, um ihren Notendurchschnitt aufzupolieren. Ich sah ihr zu, wie sie einen weiteren Mund voll Rauch mit einem kräftigen Schluck Jedenfalls-kein-Wasser herunterspülte. Irgendwie war sie nicht auf der richtigen Schiene.
Sie ließ einen tiefen, bedeutungsschweren Seufzer hören. Die Zigarette hing ihr beim Sprechen aus dem Mundwinkel, jeden Moment vom Absturz bedroht. Mit ihren verwuschelten, ungewaschenen Haaren und dem verschmierten Augen-Make-up wirkte sie – einen Wimpernschlag lang – wie die typische Angeklagte in einer Gerichtsserie (oder meinethalben auch wie eine von der Gegenseite, sahen doch alle gleich aus – fettige Haare, stumpfer Blick, Gebiss und Grammatik lückenhaft). »Ein Beitrag für irgendeine x-beliebige fachidiotische Zeitschrift, den kein Schwein je lesen wird, aber ich muss ihn schreiben, damit ich was auf meiner Publikationsliste habe.«
»Gott, wie grässlich. Und wann ist Abgabetermin?«
»Morgen.« So cool wie nur was. Keine Spur von Nervosität.
»Morgen? In echt jetzt?«
Ein visueller Warnschuss in meine Richtung, ja nicht die Seiten zu wechseln: »Mhm. Morgen. Voll blöd, vor allem weil der kleine Freudianer es bearbeiten soll. Ein Doktorand in Psychologie, keine Ahnung von russischer Literatur – egal, sie haben zu wenige Lektoren, also ist er für mich zuständig. Null Chance,
dass ich das noch rechtzeitig gebacken kriege. Soll er mich doch kreuzweise.« Ein weiterer Versuch, das Gesöff unter Umgehung der Geschmacksnerven hinunterzukippen. Sie verzog das Gesicht.
»Lil, was ist denn da eigentlich gelaufen? Zugegeben, es ist schon ein paar Monate her, aber beim letzten Mal hast du mir erzählt, ihr würdet es langsam angehen lassen, und er wäre ein absoluter Traum. Das war natürlich bevor du dieses, dieses Subjekt hier angeschleppt hast, aber...«
Visueller Warnschuss Nummer zwei, diesmal komplettiert
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