Der Teufel trägt Prada
in ihren Terminkalender ergab für heute, drei Uhr, folgende Eintragung: Durchsicht Aufnahmen Sedona, Lucia/Helen . Ich wählte Lucias Durchwahl und schnarrte, sobald ihre Assistentin abgehoben hatte, in militärischem Kommandoton: »Sie ist jetzt so weit.«
Helen legte kommentarlos auf, was hieß, dass sie und Lucia so gut wie auf halber Strecke waren. Sofern sie sich nicht binnen 20, maximal 25 Sekunden einfanden, würde ich ausgeschickt werden, um sie aufzuspüren und von Angesicht zu Angesicht an etwas zu erinnern, was sie mittlerweile eigentlich wissen mussten: Wenn ich anrief und sagte: »Miranda ist jetzt so weit«, dann
hieß das jetzt und keine 30 Sekunden später. Das war grundsätzlich einfach bloß ärgerlich, wurde einem allerdings durch die vermaledeite Auflage, so spitze Stilettos wie möglich zu tragen, noch weiter vermiest. Derartig gehbehindert das Büro in wilder Hetze nach Leuten abzugrasen, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach vor Miranda ins letzte Loch flüchteten, war ohnehin kein Spaß; richtig lustig wurde es aber erst, wenn sie sich in der Toilette versteckten. Was Mann oder Frau dort auch normalerweise zu suchen hatten, es zählte nicht als Entschuldigung, nicht zur bestimmten Zeit am bestimmten Ort zu sein: Also musste ich vorpreschen, mitunter auf der Suche nach bekanntem Schuhwerk sogar unter den Kabinentüren durchspähen, und die Ertappten so höflich wie demütig darum ersuchen, zum Ende zu kommen und sich ins Büro von Miranda Priestly zu verfügen. Und zwar zackig.
Zum Glück für alle Beteiligten fand sich Helen binnen Sekunden ein; sie rollte einen überladenen Kleiderständer mit schwerer Schlagseite vor sich her und hatte seinen Zwilling im Schlepptau. Nach kurzem Zögern walzte sie, auf einen unmerklichen Wink von Miranda hin, die beiden Gestelle durch die Doppeltür und weiter über das Teppichdickicht.
»Ist das alles? Zwei Ständer?«, fragte Miranda, kurz von ihren Korrekturen aufblickend.
Es traf Helen offensichtlich überraschend, direkt angeredet zu werden, denn Miranda sprach grundsätzlich nicht mit anderen Assistentinnen als ihren eigenen. Aber da Lucia mit ihren Ständern noch nicht zur Stelle war, musste wohl sie gemeint sein.
»Ähm, nein. Lucia kommt jede Sekunde und bringt die anderen beiden. Soll ich, öh, schon mal anfangen und Ihnen zeigen, was wir bestellt haben?«, fragte Helen nervös und zog ihr geripptes Tank-Top über den Bahnenrock.
»Nein.«
Dann kam es: »Aan-dreh-aa! Holen Sie Lucia. Auf meiner Armbanduhr ist es drei. Ich habe Besseres zu tun als hier zu sitzen
und zu warten, bis die Dame so weit ist.« Was nicht ganz stimmte, denn sie las noch immer Korrektur, und seit meinem ersten Anruf waren höchstens 35 Sekunden vergangen. Aber den Hinweis darauf sparte ich mir lieber.
»Nicht nötig, Miranda, bin schon da«, ertönte ein atemloses Piepsen, als ich eben aufstand, um auf die Suche zu gehen. Lucia schob und zog zwei weitere Ständer an mir vorbei. »Tut mir Leid, wirklich. Wir haben noch auf einen letzten Mantel von YSL gewartet.«
Sie baute die nach Gattungen sortierten Kleiderständer (Blusen, Oberbekleidung, Hosen/Röcke und Kleider) im Halbkreis vor Mirandas Schreibtisch auf und entließ Helen mit einer Handbewegung. Dann gingen Miranda und Lucia jedes einzelne Stück durch und bekriegten sich, was davon für die geplanten Modeaufnahmen in Sedona, Arizona, in Frage kam und was nicht. Lucia plädierte heftig für einen »schicken Cowgirl-Look«, der sich ihrer Meinung nach vor den roten Felsformationen hervorragend machen würde, doch Miranda bügelte sie ein ums andere Mal mit der rüden Bemerkung nieder, »Cowgirl-Schick« sei ein Widerspruch in sich, sie bevorzuge »Schick pur«. Vielleicht hatte sie bei der Party von BTBs Bruder fürs Erste genügend »Cowgirl-Schick« schlucken müssen. Ich klinkte mich aus der Diskussion aus und wachte erst wieder auf, als Miranda mir auftrug, die Zuständigen für die Durchsicht der Accessoires zusammenzutrommeln.
Sicherheitshalber sah ich sofort noch einmal in Emilys Terminkalender nach, aber es stimmte schon: Dort stand für heute nichts von einer Sichtung der Accessoires. Also rief ich Stef an, teilte ihr mit, dass Miranda so weit war, und betete zu Gott, Emily möge bloß vergessen haben, den Termin einzutragen.
Vergebens. Sie hatten die Durchsicht erst für den morgigen Spätnachmittag auf dem Plan; mindestens ein Viertel dessen, was sie benötigten, war von den PR-Firmen noch gar
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