Der Teufel trägt Prada
anfing.
»Hallo?«, sagte ich in munterem Tonfall, aus dem sich nicht schließen ließ, dass ich mich gerade als schläfrige Aktstudie in Öl auf dem Tisch rekelte.
»Aan-dreh-aa. Verlegen Sie meinen Friseur- und Make-up-Termin vor und sagen Sie den Leuten von Ungaro Bescheid, dass ich heute Abend verhindert bin. Ich gehe stattdessen auf eine kleine Cocktailparty, und Sie kommen mit. Halten Sie sich in einer Stunde bereit.«
»Äh, ja, äh, klar«, stammelte ich und versuchte gleichzeitig die Information zu verdauen, dass ich tatsächlich mit ihr irgendwohin ging. Bei der Erinnerung an das letzte Mal, als sie mich brandeilig herbeizitiert hatte – gestern war das gewesen, gestern -, durchzuckte es mich, und ich schnappte nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Ich sprach der Masseurin meinen Dank aus und setzte ihre Dienste auf die Hotelrechnung, obwohl ich sie nur zehn Minuten in Anspruch genommen hatte. Dann sprintete ich nach oben: Wie war diese neue Hürde am elegantesten zu überwinden? Und wie viel Neues konnte noch kommen, bevor ich automatisch müde abwinkte? Nicht mehr viel.
Binnen Minuten hatte ich Mirandas Friseur- und Make-up-Termin verlegt. (Sie wurde von zwei Schwulen betreut, die direkt den Hochglanzseiten von Maxim entsprungen zu sein schienen, wohingegen die Restaurierungsarbeiten an mir von einer missmutigen Person durchgeführt wurden, deren verzweifelte Miene bei meinem ersten Anblick mir noch immer in den Knochen steckte.)
»Kein Pro-bläm«, quiekte Julien. »Wiieer sind ssur Stelle, wie
sagen Sie? Pünktlisch auf die Minute! Wir’alten uns diese Woche frei, falls Madame Priestly uns ssu andere Zeiten benötischt!«
Dann piepste ich wieder Briget an und überließ ihr die Absage bei den Leuten von Ungaro. Zeit für den Gang zum Schrank. Das Skizzenbuch mit meinen verschiedenen »Looks« lag auf dem Nachttisch bereit, um verwirrten Opfern der Modewelt wie mir Trost und Rat zu spenden. Was um Himmels willen hatten all die Haupt- und Unterpunkte zu bedeuten?
Modenschauen:
1. Tagsüber
2. Abends
Mahlzeiten:
1. Frühstückmeetings
2. Mittagessen
A. Zwanglos (Hotel oder Bistro)
B. Formell (Das »Espadon« im Ritz)
3. Dinner
A. Zwanglos (Bistro, Zimmerservice)
B. Halbformell (gehobenes Restaurant, zwanglose Dinnerparty)
C. Formell (Restaurant »Le Grand Vefour«, formelle Dinnerparty)
Partys:
1. Zwanglos (Champagnerfrühstück, Fünfuhrtee)
2. Schick (Cocktailpartys bei Non-VIPs, Buchpräsentationen, Stehempfänge)
3. Elegant (VIP-Cocktailpartys, sämtliche Veranstaltungen in Museen oder Galerien, Partys der Designer-Teams nach den Modenschauen)
Verschiedenes:
1. Transport vom und zum Flughafen
2. Sportveranstaltungen (Trainerstunden, Turniere etc.)
3. Einkaufsbummel
4. Erledigungen
A. Couture-Salons
B. Geschäfte und Boutiquen der gehobenen Klasse
C. Delikatessenläden, Fitnesseinrichtungen oder Kosmetikberatungen
So weit ich sehen konnte, fehlten Hinweise für den Fall, dass unklar blieb, ob die Veranstalter VIPs waren oder nicht. Hier tat sich natürlich eine bedrohlich große, potenzielle Fehlerquelle auf: das bevorstehende Ereignis ließ sich auf die Kategorie »Partys« einengen, was schon mal ein guter erster Schritt war, aber dann geriet ich in die Grauzone. Fiel die Party schlicht unter »Schick«, sprich: Unterpunkt zwei, oder handelte es sich tatsächlich um den verschärften Fall von Unterpunkt drei, was hieße, dass einer der hocheleganten Fummel angesagt war? Statt präziser Instruktionen zum Thema »Grauzone« bzw. »Nicht ge nau definiert« fand sich lediglich gegen Ende der Auflistung eine von unbekannter Hand offenbar in letzter Minute hingekritzelte Notiz: In Zweifelsfällen (tunlichst zu vermeiden) gilt für High-Class-Events: Weniger ist mehr . Alsdann hatte ich das Problem wohl weitgehend eingekreist: Kategorie »Partys«, Unterpunkt »Schick«. Fragte sich bloß noch, welches von den sechs Outfits, die Lucia für diese spezifische Kombination vorgesehen hatte, sich an mir am wenigsten lächerlich ausnehmen würde.
Nach einem überaus peinlichen Vorlauf mit einem Tank-Top im Feather-Look und bis zum Oberschenkel reichenden Lacklederstiefeln entschied ich mich schließlich für Seite 33: flie ßender, weiter Patchworkrock von Roberto Cavalli mit Girlie-Shirt und schwarzen Bikerstiefeln von Dolce & Gabbana.
Scharf, sexy, schick – aber nicht zu elegant – und ohne dass ich wie ein aufgeputzter Pfau, ein Relikt der 80er oder gar nuttig
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