Der Teufel trägt Prada
ist das auf deinem Mist gewachsen?«
»Das ist ein Scherz. Bitte sag, dass das ein Scherz ist!« »Mitnichten. Lustig, oder? Nachdem ich dich sonst offenbar nicht zu fassen kriege, dachte ich, vielleicht klappt es ja auf diesem Wege. Meine Stiefmutter ist Fotografin, sie arbeitet häufig für die französische Runway und hat sich mit Miranda angefreundet, als die in Paris war. Also habe ich einfach durch sie ausrichten lassen, dass ihr vereinsamter Sohn nichts gegen ein bisschen Gesellschaft in Form einer attraktiven Assistentin einzuwenden hätte. Hat Wunder gewirkt. Komm, lass uns was trinken.« Er platzierte mir eine Hand ins Kreuz und dirigierte mich zu einer massiven Eichenholzbar im Wohnzimmer, hinter der drei livrierte Barkeeper mit dem Ausschank von Martini, Scotch und edlem Perlwasser in eleganten Champagnerflöten beschäftigt waren.
»Jetzt noch mal im Klartext: Ich muss also heute nicht den Babysitter
spielen? Du hast nicht zufällig noch einen kleinen Bruder oder so was?« Es überstieg mein Fassungsvermögen, dass ich mit Miranda Priestly zu einer Party fuhr und den ganzen Abend nichts weiter zu tun haben sollte, als mit einem berühmten Schriftsteller zu turteln, der ebenso klug wie sexy war. Vielleicht hatten sie mich ja eingeladen, damit ich zur Unterhaltung der Gäste tanzte oder sang? Oder ihnen ging ein Serviermädchen ab, und ich war diejenige, die am leichtesten in letzter Minute einspringen konnte? Vielleicht führte uns der Weg ja auch zur Garderobe, wo ich das Mädchen ablösen durfte, das da jetzt so müde und gelangweilt hockte? Mein Hirn weigerte sich schlichtweg, Christian seine Story abzukaufen.
»Also, ich würde sagen, deine Qualitäten als Babysitter könnten heute durchaus noch zum Einsatz kommen, denn ich gedenke jede Menge Aufmerksamkeit zu fordern. Trotzdem wird der Abend für dich wohl nicht ganz so schrecklich werden wie befürchtet. Warte hier einen Moment.« Er küsste mich auf die Wange und verschwand in der Menge der Partygäste, die zum Großteil aus distinguiert wirkenden Herren und vage der Kunstszene zuzurechnenden, eleganten Frauen zwischen 40 und 60 bestand: offenbar eine Mischung aus Bankern und Mitarbeitern diverser Magazine, abgerundet von ein paar Designern, Fotografen und Models. Das Stadthaus, in dem dieser illustre Kreis sich zusammengefunden hatte, mündete nach hinten in einen kleinen, stilvoll gemauerten Hof, in dem ein Geiger sanfte Melodien bei Kerzenlicht spielte. Ich spähte hinaus und erkannte auf Anhieb Anna Wintour; in ihrem cremefarbenen, seidenen Hängerkleid und den strassbesetzten Manolo-Sandalen sah sie einfach traumhaft aus. Sie unterhielt sich angeregt mit jemandem, der ihr Freund sein mochte; ob er sie amüsierte, gleichgültig ließ oder zu Tränen rührte, ließ sich hinter der riesigen Sonnenbrille von Chanel allerdings nicht ausmachen. Die Presse zog gern Vergleiche zwischen Anna und Miranda, was ihre Launen und Unarten betraf, aber ich persönlich war der festen
Überzeugung, dass kein Mensch auch nur annähernd so unerträglich sein konnte wie diese meine Chefin.
Ein paar Vogue -Redakteurinnen (schätzte ich) beäugten Anna von hinten so matt und misstrauisch wie unsere Redaktionsschnepfen Miranda; neben ihnen stand Donatella Versace, das Gesicht so mit Make-up zugekleistert, die Kleider so hauteng am Leib, dass sie gar nicht mehr derart hätte kreischen müssen, wie sie es tat, um als lebende Karikatur ihrer selbst durchzugehen. Sie wirkte ungefähr so echt wie ein Picasso aus dem Kaufhaus.
Ich nippte an dem Glas Champagner, das mir so unerwartet zuteil geworden war, während sich neben mir ein Italiener (ausnahmsweise kein gut aussehender) in blumiger Prosa über seine lebenslange Leidenschaft für den weiblichen Körper verbreitete, bis Christian wieder auftauchte.
»Lass dich für eine Minute entführen«, sagte er und manövrierte mich ein weiteres Mal elegant durch das Getümmel. Mit seinen genau richtig verwaschenen Diesel-Jeans, dem wei ßen T-Shirt unter dem dunklen Sportsakko und den Loafers von Gucci fügte er sich nahtlos ein in diese Welt des schönen Scheins.
»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte ich, weiterhin auf der Hut vor Miranda; ganz gleich, was Christian behauptete, ich hatte immer noch das Gefühl, als müsste ich eigentlich in der Ecke stehen, Faxe verschicken und die neuesten Änderungen in den Reiseplan einarbeiten.
»Erst einmal bekommst du noch einen Drink, und ich vielleicht auch. Und dann bringe ich
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