Der Teufel trägt Prada
Während die Operation, die ich von nun an fast jeden Tag erleben durfte, anlief, schickte Emily mich los, um die anderen Sachen zu besorgen, die wir zusammen mit dem Rock am Abend ins Flugzeug verfrachten mussten.
»Dein Wagen erwartet dich in der 58. », sagte sie, während sie zwei Telefongespräche gleichzeitig führte und mir meine Anweisungen auf einen Bogen Runway -Briefpapier kritzelte. Sie hielt kurz inne, um mir ein Handy zuzuwerfen. »Hier, nimm das mit, für den Fall, dass ich dich erreichen muss oder du noch irgendwelche Fragen hast. Schalte es niemals ab. Beantworte jeden Anruf.« Mit Handy und Zettel bewaffnet, eilte ich nach unten. Als ich auf die 58. Straße hinaustrat, hatte ich nicht den leisesten Schimmer, wie ich »meinen Wagen« finden sollte. Oder was »mein Wagen« überhaupt bedeutete. Doch ich stand höchstens eine Sekunde ratlos auf dem Bürgersteig, als auch schon ein bulliger,
grauhaariger Mann auf mich zukam, eine Pfeife zwischen den nikotingelben Zähnen.
»Sind Sie Priestlys Neue?«, krächzte er, ohne die Pfeife herauszunehmen. Ich nickte stumm. »Ich bin Nick. Für den Fuhrpark zuständig. Wenn Sie einen Wagen brauchen, wenden Sie sich an mich. Kapiert, Blondie?« Ich nickte noch einmal und schwang mich auf den Rücksitz eines bereitgestellten schwarzen Cadillac. Nick knallte die Tür zu und winkte.
»Wohin soll’s denn gehen, Miss?«, fragte der Chauffeur. Schlagartig erwachte ich aus meinem ungläubigen Staunen. Ich merkte, dass ich ihm seine Frage beim besten Willen nicht beantworten konnte. Rasch zog ich den Zettel aus der Jackentasche.
Erste Station: Tommy Hilfigers Studio,
57. Straße West 355, 6. Stock.
Frag nach Leanne. Von ihr kriegst du alles.
Ich nannte dem Fahrer die Adresse und starrte aus dem Fenster. Es war ein Uhr nachmittags an einem eisigen Novembertag. Ich war 23 Jahre alt und wurde von einem Chauffeur in einer Limousine zu Tommy Hilfigers Studio kutschiert. Und ich hatte einen Bärenhunger. Im dichten Stoßverkehr brauchten wir für die kurze Strecke sage und schreibe 45 Minuten, meine erste Begegnung mit einem echten Großstadtstau. Der Fahrer setzte mich vor dem Eingang ab und sagte, er würde ein paar Mal um den Block fahren, bis ich fertig wäre. Als ich im sechsten Stock am Empfang nach Leanne fragte, kam eine maximal 18-jährige Schönheit die Treppe heruntergehüpft.
»Hi!«, rief beziehungsweise trällerte sie. »Sie müssen Andrea sein, Mirandas neue Assistentin. Wir sind alle ganz hingerissen von ihr. Also: Willkommen im Fanclub!« Sie lachte mich an, ich lachte zurück. Im nächsten Augenblick zauberte sie unter einem Tisch eine riesige Plastiktüte hervor, drehte sie um und
kippte sie auf dem Teppichboden aus. »Hier ist Carolines Lieblingsjeans in drei verschiedenen Farben und dazu eine Hand voll T-Shirts. Und Cassidy ist doch so vernarrt in Tommys Khakiröcke, da gebe ich Ihnen einen in Oliv und einen in Stein mit.« Jeansröcke, Jeansjacken und sogar ein paar Knäuel Socken kamen aus der Tüte gepurzelt. Ich konnte bloß staunen: Die Sachen hätten für mindestens vier Kinder gereicht. Wer zum Henker sind Caroline und Cassidy?, rätselte ich, während ich wie ein Schaf auf den Klamottenberg starrte. Welcher Mensch, der auf sich hält, trägt Tommy Hilfiger Jeans – und noch dazu in drei verschiedenen Farben?
Anscheinend machte ich tatsächlich kein besonders intelligentes Gesicht, denn Leanne drehte mir taktvoll den Rücken zu, während sie die Sachen wieder einpackte, und sagte: »Mirandas Töchter werden begeistert sein. Wir kleiden sie schon seit Jahren ein, und Tommy sucht ihre Garderobe immer persönlich für sie aus.« Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu und schwang mir die Tüte über die Schulter.
»Viel Glück!«, rief sie mir nach, als sich die Fahrstuhltür hinter mir schloss, ein warmes Lächeln auf dem Gesicht. »Gratuliere zu Ihrem Spitzenjob!« Sie brauchte den Satz nicht zu Ende zu sprechen, ich wusste auch so, wie er weiter ging: Für den Job würden Millionen junger Frauen ihr Leben geben. Und in diesem Augenblick, nachdem ich zum ersten Mal im Leben das Studio eines Modedesigners betreten hatte und Klamotten im Wert von Tausenden von Dollars wegschleppte, glaubte ich ihr sogar.
Als ich erst mal den Dreh raus hatte, verging der Rest des Tages wie im Fluge. Ein paar Minuten lang debattierte ich mit mir, ob wohl jemand etwas dagegen haben würde, wenn ich mir unterwegs ein Sandwich genehmigte, aber wenn ich auf dem
Weitere Kostenlose Bücher