Der Teufel trägt Prada
Unverständliches von mir wollte. Kopflos warf ich Emily das schnurlose Telefon hinüber, obwohl ich das Gespräch auch einfach zu ihr hätte durchstellen können.
»Das ist sie«, flüsterte ich gepresst. »Rede du mit ihr.«
Und nun kam ich zum ersten Mal in den Genuss des Blickes, den Emily speziell für mich auf Lager hatte – eine Mischung aus Genervtheit und Mitleid zu gleichen Teilen.
»Miranda? Emily am Apparat.« Ein strahlendes Lächeln verbreitete sich auf ihrem Gesicht, als ob unsere Chefin jeden Augenblick durch den Hörer kommen würde. Schweigen. Ein Stirnrunzeln. »Ach, Mimi, Sie müssen schon entschuldigen! Unsere Neue dachte, Sie wären Miranda! Ja, ich weiß, zum Schießen. Die nächste Lektion: Nicht jeder britische Akzent bedeutet, es ist Miranda!« Sie sah mich vielsagend an und zog ihre stark gelichteten Augenbrauen noch eine Etage höher.
Während sie mit der Anruferin plauderte, nahm ich weitere Gespräche an und schrieb mir die Namen der Leute auf, die sie anschließend zurückrief, nur unterbrochen von Kommentaren über den Rang, den sie in Mirandas Leben bekleideten – so sie denn einen hatten. Gegen Mittag machte sich mit einem leisen Grollen mein Magen bemerkbar. Als ich zum x-ten Mal den Hörer abnahm, schnarrte mir ein britischer Akzent entgegen.
»Hallo, Allison? Sind Sie das?«, fragte eine eisige, aber königliche Stimme. »Ich brauche einen Rock.«
Erschrocken hielt ich die Sprechmuschel zu. »Emily, sie ist es. Diesmal ist sie es wirklich«, zischte ich und fuchtelte mit dem Hörer, um sie auf mich aufmerksam zu machen. »Sie braucht einen Rock!«
Emily drehte sich um, sah mein panisches Gesicht und legte sofort auf. Für ein »Ich rufe zurück« oder auch nur ein »Auf Widersehen« blieb keine Zeit. Sie stellte sich Miranda auf ihren Apparat durch und setzte als Erstes wieder ihre Strahlemaske auf.
»Miranda? Emily hier. Was kann ich für Sie tun?« Sie angelte sich ihren Stift und machte sich mit tief gerunzelter Stirn Notizen. »Ja, gewiss. Selbstverständlich.« Und dann war es auch schon wieder vorbei. Ich sah sie fragend an.
»Es sieht ganz so aus, als ob wir die erste Aufgabe für dich hätten. Miranda braucht unter anderem für morgen einen Rock. Das heißt für uns, er muss spätestens heute Abend an Bord einer Maschine in die Dominikanische Republik sein.«
»Okay, und was für einen Rock will sie haben?«, fragte ich entgeistert. Ich konnte es nicht fassen, dass sie nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, um sich einen Rock einfliegen zu lassen.
»Darüber hat sie sich nicht näher ausgelassen«, murmelte Emily und griff zum Telefonhörer.
»Hi, Jocelyn. Ich bin’s. Sie braucht einen Rock. Mrs. de la Renta nimmt ihn ihr heute Abend mit dem Flieger mit. Nein, keine Ahnung. Nein, hat sie nicht gesagt. Weiß ich wirklich nicht. Okay, danke.« Sie wandte sich zu mir und sagte: »Natürlich ist es schwieriger für uns, wenn sie keine genauen Angaben macht. Sie hat viel zu viel zu tun, um sich mit solchen Lappalien abzugeben. Das heißt, wir wissen nicht, welche Farbe, welches Material, welcher Stil oder welche Marke ihr vorschwebt. Aber das macht nichts. Jocelyn aus dem Mode-Ressort lässt schon eine Auswahl ins Haus kommen.« Ich stellte mir vor, wie die unterschiedlichsten Röcke, von Fanfarenklängen und Trommelwirbeln begleitet, hereinmarschierten.
Ganz so lief es dann doch nicht ab. Die Röcke kommen zu lassen, war meine erste Lektion in den Absurditäten, die mir mein Runway -Job abverlangte; eine Operation, die mit militärischer Präzision über die Bühne ging.
Im Falle eines Falles verständigten entweder Emily oder ich die Mode-Assistentinnen – ungefähr acht Frauen, die Kontakte zu ausgewählten Designern und Boutiquen unterhielten. Die Assistentinnen riefen sofort ihre Kontaktpersonen bei den jeweiligen Häusern an und sagten ihnen, dass Miranda Priestly – jawohl, DIE Miranda Priestly, jawohl, Miranda Priestly PERSÖNLICH – einen ganz bestimmten Artikel benötigt. In Minutenschnelle setzten die Werbeabteilungen von Michael Kors, Gucci, Prada, Versace, Fendi, Armani, Chanel, Barney’s, Chloé, Calvin Klein, Bergdorf, Roberto Cavalli und Saks ihre Kuriere in Bewegung und schickten jeden verfügbaren Rock zu uns herüber, der Miranda Priestly unter Umständen gefallen könnte. Die Parade ging wie eine exakt einstudierte Choreographie über die Bühne, bei der jeder Beteiligte ganz genau wusste, welcher Schritt als Nächstes kam.
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